Köstlichkeiten aus der Küche des Freiherrn

Hildegard Melcher aus Osann-Monzel hat eine Rarität entdeckt. Die Lieserer Schlossherren waren vor fast 100 Jahren wahre Gourmets, wie eine Speisekarte von 1914 berichtet.

 Hildegard Melcher mit der Speisekarte von 1914 und Fotos ihrer Großmutter Elisabeth Mehn. TV-Foto: Erich Gerten

Hildegard Melcher mit der Speisekarte von 1914 und Fotos ihrer Großmutter Elisabeth Mehn. TV-Foto: Erich Gerten

Lieser/Osann-Monzel. (ger) Als Kind war Hildegard Melcher oft bei ihrer Oma Elisabeth Mehn (1887-1968) in Lieser. Vor kurzem hat die heute in Osann-Monzel wohnende 58-Jährige das Wohnhaus ihrer Großmutter geerbt. Eine wahre Schatztruhe, wie sich schnell herausstellte. Denn von Frack und Zylinder über alte Gebetbücher bis zum Zinkeimer aus alten Zeiten hat sie interessante Raritäten entdeckt.

Doch der größte Schatz ist kein Frack und auch kein Gebetbuch. Eine gedruckte Speisekarte aus der Hofhaltung des Lieserer Schlosses vom 22. April 1914 ist das eindrucksvollste Fundstück. Sie ist anlässlich der Hochzeit von Paula Freiin von Schorlemer erstellt worden.

Die Trauung hielt der Trierer Bischof höchstpersönlich. Aber auch die Gäste hatten Rang und Namen. So war Oskar, ein Sohn des deutschen Kaisers, bei der Feier zugegen. Diese Bekanntschaft kam durch die Arbeit des Schlossherrn, Clemens Freiherr von Schorlemer-Lieser, zustande. Denn er war als preußischer Staatsminister für Landwirtschaft und Forsten tätig. Durch diverse Aufenthalte in Berlin stand er in Kontakt zum deutschen Kaiser, Wilhelm II. Dieser ließ es sich natürlich nicht nehmen, den Freiherrn mehrmals auf seinem Schloss in Lieser zu besuchen.

Kaiser Wilhelm II. war zu Gast in Lieser



Aber nicht nur Clemens Freiherr von Schorlemer-Lieser lebte und arbeitete in Berlin. "Meine Oma war die Köchin der Schorlemers und hat von 1908 bis 1912 in Berlin für den Minister gekocht", berichtet Hildegard Melcher. 1912 kam Elisabeth Mehn wieder zurück nach Lieser und war für das leibliche Wohl im Schloss verantwortlich.

Zu besonderen Anlässen wurden gedruckte Speisekarten erstellt. Speisekarten wie Hildegard Melcher sie im Haus ihrer Großmutter entdeckt hat. Oma Mehn war offensichtlich eine Meisterin ihres Faches. "Die hat schon Sachen gekannt, da wussten die anderen noch nicht, wie es aussieht", berichtet Hildegard Melcher.

Denn die Speisekarte kündet von auserlesenen Menüs. Bei der Hochzeit 1914 gab es Kaviar als Vorspeise, zudem Consommé quenelles de volaille (Klare Brühe mit Geflügelknödel, dann Lachsforellen mit Sauce foyot (Buttersoße), Agneau de lait printanier (Frühlings-Milchlamm) sowie Salmi (Ragout) von Schnepfen, Sorbet d'Orange (Orangensorbet) und frischen Stangenspargel mit sauce mousseline (geschäumte Soße) sowie Fruits rafraîchis (gekühlte Früchte) zum Abschluss. Ein exquisites Menü mit einheimischen und französischen Spezialitäten.

Überraschendes bietet die Karte ebenfalls. Vielleicht gab es bereits zu Kaiserzeiten die heute viel begehrten Chicken-Hamburger. "Oder wie ist die Abkürzung ‚Hamb. Küken‘ auf der Speisekarte zu deuten?", scherzt Hildegard Melcher.

Bester Wein war selbstredend mit von der Partie, wie die Karte verkündet: 1909 Lieser Niederberger, 1908 Zeltinger, 1904 Léognan, 1895 Brauneberger und 1865 Steinberger Cabinet.

Elisabeth Mehn wirkte auch nach dem Ende des Kaiserreiches im Schloss als Köchin. Auch das weiß Hildegard Melcher: "Mein Vater ist als Schulkind in den 20er Jahren jeden Mittag ins Schloss zum Essen gegangen. Er wurde in der Küche bestens von meiner Oma verpflegt."

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