Kohl und Strauß im Hunsrück auf der Pirsch

Hinzerath · In den 1960er Jahren ist das Haniel Schlösschen bei Hinzerath bundesweit in den Schlagzeilen gewesen. Der damalige Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier hat seine Politikerkollegen in den Vierherrenwald zur Jagd eingeladen.

 Das Haniels Schlösschen: Für die einen eine Skihütte, für die anderen ein feudales Jagdschloss mit palastartigen Ausmaßen. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Das Haniels Schlösschen: Für die einen eine Skihütte, für die anderen ein feudales Jagdschloss mit palastartigen Ausmaßen. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Hinzerath. Einsam und verwunschen wirkt die Kreisstraße 125, die oberhalb von Hinzerath von der L 159 in Richtung Hellertshausen abbiegt. Bei einer Zählung im Jahr 2003 wurde dort ein Verkehrsaufkommen von 109 Autos pro Tag, durchschnittlich also etwa vier Autos pro Stunde, ermittelt. Doch war das dort gelegene Haniel Schlösschen an der umgangssprachlich Gerstenmaierstraße oder -allee genannten Kreisstraße in den 1960er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Treffpunkt der deutschen politischen Prominenz.
Der Morbacher Christian Hackethal hat sich mit dem einstigen Jagdhaus im Vierherrenwald befasst. Er ist verwandt mit der Duisburger Industriellenfamilie Stinnes. Diese hatte einst in die Familie Haniel, die auch aus Duisburg stammt, eingeheiratet.
Als weitläufiges Familienmitglied ist er deshalb an der Geschichte des Jagdschlosses sehr interessiert. Das um 1895 von Richard Haniel als Jagdschloss gebaute Haus mit 15 Zimmern wechselte 1955 von der Witwe Ulla Haniel zur evangelischen Kirche Deutschland.
Sie räumte dem damaligen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier, der von 1949 bis 1954 das Hilfswerk der evangelischen Kirche geleitet hatte, ein Nutzungsrecht ein. Dieser hatte dadurch Zugriff auf das Haus im Idarwald und lud politische Freunde zu Staatsjagden und anderen Festlichkeiten ein. "Helmut Kohl, Franz-Josef Strauß und andere prominente Politiker des Landes kamen seinerzeit zur Jagd in den Hunsrück", sagt Hackethal.
Gerstenmaier ließ den Waldweg zum Schlösschen in den 60er Jahren asphaltieren. "Dadurch kam es zum Namen Gerstenmaierallee", sagt Hackethal. Ende der 60er Jahre geriet das Jagdschloss bundesweit in die Schlagzeilen, da die Übertragung an die evangelische Kirche in Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung der Witwe Haniel gestanden haben soll, berichtete damals der Spiegel. Die Sichtweisen für das Anwesen waren seinerzeit sehr unterschiedlich, berichtete das Nachrichtenmagazin.
Während CDU-nahe Zeitungen das Haus damals als "Skihütte" bezeichnet hatten, sprachen sozialdemokratische Zeitungen von einer "schlossartigen Villa" oder einem "feudalen Jagdschloss mit palastartigen Ausmaßen", schrieb damals der Spiegel. Allerdings sei das Steuervergehen der Witwe Haniel bei seiner Entdeckung bereits verjährt gewesen.
1979 wechselte das Haus in den Besitz eines Vorstandsmitglieds des Marmeladenherstellers Schwartau, sagt Hackethal. Nachdem es drei Jahre lang einem Unternehmer aus der Kunststoffindustrie gehört hatte, erwarben die Gebrüder Fruytier 2001 das Gebäude. Die Fruytier-Group ist in der Holzindustrie tätig. Zum Unternehmen gehört das Sägewerk in Hochscheid. cst

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