Konkurrenz kann das Geschäft auch beleben

Wittlich/Trier/Bitburg · Trier war im Herbst 2008 Vorreiter in der Region, Wittlich folgte gut ein Jahr später: Nun soll auch in Bitburg eine Galerie Kauflustige anlocken. Die Einschätzungen und Erfahrungen in Wittlich und Trier sind unterschiedlich.

Wittlich/Trier/Bitburg. "Katastrophe", "Gigantismus, bei dem die Stadt verliert", "unheimlich" - so pessimistisch äußerten sich in der Vergangenheit manche Inhaber von Geschäften in der Bitburger Innenstadt zum geplanten Einkaufszentrum "Bit-Galerie" (der TV berichtete). Andere freuten sich über den "frischen Wind" und wünschten sich die Galerie "möglichst schnell" herbei.
Während Bitburg noch auf seinen Konsumtempel wartet, haben Nachbarn wie Trier und Wittlich damit bereits Erfahrungen gesammelt. Der Volksfreund hat dort nachgehört, wie die alteingesessenen Kaufleute inzwischen zu "ihren" Centern stehen.
"Man muss ja ehrlich nach der Motivation eines Center-Betreibers fragen", sagt Gregor Fischer in Wittlich und blickt durch die Fenster seiner leeren Parfümerie in die verwaiste Fußgängerzone. An deren oberem Ende thront seit 2009 die Schlossgalerie - und in ihr macht ein großer Drogeriemarkt Konkurrenz. "Ein Center kommt, um in den Sortimenten der Innenstadt zu vagabundieren. Inhabergeführte Läden können da nur verlieren", sagt der Kaufmann und resümiert, auch hinsichtlich einer Leerstandsquote von rund 13 Prozent: "In Wittlich und bei meinem Geschäft ist es genauso gekommen."
Karsten Mathar, Geschäftsführer des örtlichen Stadtmarketing-Vereins, fällt kein so harsches Urteil: "Ich habe die Galerie lieber hier als auf der grünen Wiese", sagt er. Allerdings fänden die geschätzt 4000 Tagesbesucher der Galerie zu selten ihren Weg in die Innenstadt: "Es fehlt ein Gegenpol am anderen Ende der Fußgängerzone."
Ruth Reitz-Born bleibt in ihrem Modegeschäft neutral: "Anfangs hatte ich eher Angst, letztlich hat die Galerie sich bei mir aber weder positiv noch negativ ausgewirkt." Sie glaubt aber, dass die in Bitburg geplante H&M-Filliale doch "einiges aus der Stadt herausziehen könnte".
Auch in Trier hat man jahrelange Erfahrung mit Galerien: Der kleinen, heute bedeutungslosen Treveris Passage folgte erst das Alleen-Center und schließlich die Trier-Galerie.
Dass die mit einer Thalia-Filiale direkt gegenüber seiner Buchhandlung hochgezogen wurde, findet Georg Stephanus vollkommen in Ordnung: "Zunächst hat sich mal unsere Immobilie ganz deutlich im Wert verbessert", sagt Stephanus, der immer noch regelmäßig Kaufanfragen bekommt. Buchhändlerisch habe sich "eher nichts verändert. Das Galerie-Publikum ist eher mode- und weniger buchinteressiert - und falls doch, wird es in der Galerie gut abgefertigt."
Als Ehrenvorsitzender der City-Initiative sieht Instrumente-Händler Georg Kern die Galerie als Bereicherung, auch für den Immobilienmarkt. "Wenn mehr attraktive Geschäfte gebaut werden, können die Vermieter nicht mehr so wahnsinnig viel verlangen, wie sie es in den letzten 30 Jahren getan haben", glaubt Kern - und dennoch nicht an einen Erfolg in Bitburg: "Wenn die Leute richtig shoppen wollen, fahren sie lieber ins Oberzentrum Trier", schätzt er. Bitburg könne eher mit liebevoll geführten Fachgeschäften punkten - und sei auf einem guten Weg.
Optimistischer für Bitburg ist Michael Müller, Präsident des regionalen Einzelhandelsverbands: "Früher war ja Wittlich das deutlich bessere Gebiet gegenüber Bitburg - das hat sich komplett gedreht", erklärt der Betreiber der "Blauen Hand". Aber die Wittlicher hätten nicht auf ihre Innenstadt aufgepasst, Aussiedlungen ins Industriegebiet und einen immer größeren Bungert zugelassen.
Bitburg werde demnächst noch stärker als Mittelzentrum genutzt, glaubt Müller. "Das wird eher für Trier zum Problem." Für die Wittlicherin Nicola Gelz war die Schlossgalerie sogar "ein heilsamer Schock: Als Herausforderung, uns komplett umzustellen". Gelz und ihr Ehemann formten mit Hilfe einer Unternehmensberatung ihre klassische Drogerie zu einem Lifestyle-Geschäft mit hochwertigen und nachhaltigen Wellness-Produkten, die es im Einkaufszentrum gar nicht gibt. "Das konnten wir natürlich als Inhaber deutlich einfacher als etwa ein Filialist", sagt Gelz und freut sich, dass ihr Laden jetzt besser laufe als vor Zuzug der Galerie. Gelz\' Fazit: "Konkurrenz belebt das Geschäft."

Meinung

Unausweichlich: Moderne Zeiten
Der Argwohn mancher Einzelhändler gegenüber neuen Konsumtempeln ist so nachvollziehbar wie in vielen Fällen berechtigt. Doch ein Festkrallen in der "guten alten Zeit" ist kein guter Weg, da nicht nur die bundesweit rund 650 Einkaufszentren den Einzelhandel aufmischen: Praktisch jedes Produkt kann heute schneller am PC bestellt werden, als ein Verkäufer "Kann ich Ihnen helfen?" fragt. Ladenbetreiber mit echtem Herzblut sollten die modernen Zeiten als Aufforderung an ihre unternehmerische Fantasie begreifen, ihre Konzepte und Sortimente ehrlich prüfen und sie pfiffig weiterentwickeln. Noch besser, wenn auch noch ein paar Ideen für ein Stadtmarketing übrig sind, das den bequemen, aber oft auch sterilen Centern pralles Stadtleben entgegensetzt. f.goebel@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort