Kontrollen ohne Knollen

MORBACH/THALFANG. In jeden dritten Unfall im Hunsrück sind Rehe, Hirsche oder Wildschweine verwickelt. Im Sommer beendete die Morbacher Polizei eine auf fünf Jahre ausgelegte Wildunfall-Studie. Jetzt legen die Morbacher Ordnungshüter einen Schwerpunkt auf das Sensibilisieren der Autofahrer für die Gefahr durch Verkehrskontrollen.

Mal ehrlich: Wen beschleicht nicht ein mulmiges Gefühl, wenn ein Polizist mit Kelle in der Hand ihn an den Straßenrand winkt. Im Geiste geht er sein potenzielles Sündenregister durch: zu schnell gefahren, Verkehrsschild übersehen, Führerschein und Verbandskasten dabei? So ergeht es auch den Autofahrern, die zwischen Morbach und Gonzerath in eine Kontrolle geraten und von Polizeihauptkommissar Gregor Steffes und Polizeihauptmeister Bernard Ludwig angesprochen werden. Doch das mulmige Gefühl weicht schnell, denn die Beamten sind nicht auf der Jagd nach Verkehrssündern. "Guten Tag, wissen Sie, dass sie gerade eine unfallträchtige Straße passiert haben", fragen Steffes und Ludwig eine ganze Reihe von Autofahrern, die sie nach und nach in Gonzerath auf einen Parkplatz gelotst haben. Die Beamten machen ihre Gesprächpartner darauf aufmerksam, dass sie gerade eine Gefahrenstelle passiert haben. "Darf ich da nicht 100 fahren", fragen gleich mehrere Verkehrsteilnehmer unsicher. Die Antwort der Beamten fällt etwas länger aus. Denn in der Senke zwischen Morbach und Gonzerath, die im Volksmund "Entenpfuhl" heißt, sind weniger Enten, als vielmehr Wildtiere unterwegs. Deshalb warnen dort Schilder vor häufigem Wildwechsel. In 2006 bislang zwölf Unfälle im "Entenpfuhl"

Auf einer solchen Strecke, die durch ein Waldstück verläuft, könne unter Umständen Tempo 70 bereits zu schnell sein, informiert Steffes über die geltende Rechtssprechung. Ein Limit, das von den meisten Fahrern während der Kontrollzeit überschritten wurde. Doch Knöllchen werden an dem Abend nicht verteilt. Ohne Konsequenzen bleibt sogar ein Raser mit Tempo 134. Die kontrollierten Fahrzeuge fuhren im Durchschnitt 95 Stundenkilometer. Steffes, der bei der Polizeiinspektion (PI) Morbach, zuständig für die Einheitsgemeinde Morbach und die Verbandsgemeinde Thalfang, über fünf Jahre das Wildunfall-Geschehen unter die Lupe genommen hat, weiß, wovon er spricht. Die Senke gehört seit Jahren zu den Unfallschwerpunkten im Bereich der PI. Vor zwei Jahren registrierte die Polizei am "Entenpfuhl" fünf Wildunfälle, 2005 waren es bereits sieben. In diesem Jahr knallte es schon zwölf Mal. "Und das Jahr ist noch nicht zu Ende", warnt der Fachmann. Schließlich ist der November stets wildunfallträchtig. Meist bleibt es beim Sachschaden. Aber nicht immer: Erst in diesem Sommer endete die Begegnung mit einer Hirschkuh auf der B 269 für einen Verkehrsteilnehmer im Krankenhaus. Bei den Verkehrsteilnehmern stößt die Kontrolle auf Verständnis. "Ich finde es gut, dass Sie auf die Problematik aufmerksam machen", sagt ein Mann, der selbst in Hochscheid auf die Jagd geht, aber namentlich nicht genannt werden will. Der Mann, der beruflich viel unterwegs ist, weiß wovon er spricht. Als Fahranfänger hatte er innerhalb von zwei Jahren gleich sieben Unfälle mit Wildtieren. Ebenso dankbar ist Fahrlehrer Jürgen Lehmann von einer Morbacher Fahrschule, der mit Fahrschüler Eric Thees aus Gutenthal unterwegs ist, über die Extra-Lektion in Sachen Wild. "Ich werde das beherzigen", versichert der Fahrschüler. Sein Lehrer rät angesichts solcher Unfallzahlen zu zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen. Dabei hat die Polizei allerdings mit Hürden zu kämpfen, weiß Steffes aus eigener Erfahrung. Ein Versuch mit blinkenden CDs verlief beispielsweise wegen haftungsrechtlicher Probleme im Sande. Den Autofahrern bleibt zunächst nichts anders übrig, als auf Gefahren-Routen besonders auf der Hut zu sein.

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