Kreis hält an seinen RWE-Aktien fest

Wittlich · Dieses Mal ist es eine Frage der Moral: Erneut ist die Debatte aufgeflammt, ob sich der Kreis Bernkastel-Wittlich von seinen RWE-Aktien trennen soll. Aber woher stammen diese Aktien eigentlich, und was bringen sie?

 Rund 42 Euro ist eine RWE-Aktie derzeit wert – kein günstiger Zeitpunkt für den Verkauf. Der Kreis Bernkastel-Wittlich hält 413 201 Wertpapiere des Energiekonzerns. TV-Foto: Klaus Kimmling

Rund 42 Euro ist eine RWE-Aktie derzeit wert – kein günstiger Zeitpunkt für den Verkauf. Der Kreis Bernkastel-Wittlich hält 413 201 Wertpapiere des Energiekonzerns. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Sie sind gang und gäbe - und derzeit wieder heiß umstritten: die RWE-Aktien in öffentlicher Hand. Der Landkreis Vulkaneifel hat sie, die Kreise Trier-Saarburg, Cochem-Zell, Rhein-Hunsrück - und eben auch der Kreis Bernkastel-Wittlich. Und überall gibt es Parteien unterschiedlicher Couleur, die deren Verkauf fordern. Denn je lauter der Protest gegen Atomkraftwerke wird, desto mehr geraten auch Energiekonzerne wie die RWE unter Druck. Moralisch wie finanziell.
So hat sich die SPD-Fraktion im Kreistag für den Verkauf der Aktien ausgesprochen, da die RWE weiter am Atomkurs festhält und gegen die Abschaltung sieben alter deutscher Atomkraftwerke klagt.
Die Mehrheit aber votierte mit 21 Nein- zu sieben Ja-Stimmen bei vier Enthaltungen gegen den Antrag, unter anderem wegen des derzeit niedrigen Kurswerts der Aktie.
FDP und CDU warnten davor, die Wertpapiere, die einen Großteil des Kreisvermögens ausmachen, zu verscherbeln. Oder in den Worten von Jürgen Jakobs (CDU): "Dat lo is dat letzte wat mer ham." Doch die Frage bleibt: Was bringen die Aktien dem Kreis? Insgesamt hält er 413 201 Wertpapiere des Konzerns mit einem aktuellen Wert von 17 354 442 Euro. 67 500 Stück im Wert von derzeit rund 2,8 Millionen Euro gehören zum Vermögen der Kreismusikschule. Die Dividenden sollen den Betrieb mitfinanzieren.
Von den Aktien im Vermögen des Kreises sind rund 276 500 in einer sogenannten Umtauschanleihe gebunden. 2005 überließ der Kreis der WestLB die Aktien sozusagen als Sicherheit und erhielt dafür ein Darlehen über 15 663 345 Euro. Die Dividende bekommt er weiterhin - und bislang sind die Einnahmen daraus höher als die Summe, die er für die Darlehenszinsen zahlen muss.
Dank dieser Umtauschanleihe sparte der Kreis 2005 bis 2010 nach Auskunft der Kreisverwaltung 1,17 Millionen Euro. Daher wurde 2010 die Verlängerung um drei Jahre beschlossen.
Für die nächsten Jahre ist mit einer sinkenden Dividende zu rechnen. Nach Ablauf der Frist 2013 kann die Bank entscheiden, ob sie die Aktien behält oder der Kreis das Darlehen zurückzahlen soll. In letzterem Fall müsste der Kreistag entscheiden, was mit den Wertpapieren geschieht.
Frei verfügen kann der Kreis somit nur über etwa 69 000 Aktien im Wert von 2,9 Millionen Euro. 2008 hatte der Kreistag beschlossen, sie nur zu verkaufen, sobald der Kurs pro Aktie mindestens 75 Euro beträgt. Derzeit beträgt er 42 Euro. "Ungünstiger als jetzt könnte die Stimmung für die Branche gar nicht sein", sagt Roland Anlitzky von der Stiftung Finanztest - daher sei es verständlich, die Aktien derzeit nicht zu verkaufen.
Doch wird der Kurs jemals wieder so hoch steigen? "Die Chance besteht", sagt Anlitzky. Es hänge von der Flexibilität des Konzerns ab, sich in den neuen Energiefeldern zu engagieren.Meinung

Vom Tafelsilber zur Ramschware?
Verkaufen oder nicht? Im Fall der RWE-Aktien zeigt sich, dass die Kreistagsmitglieder monetäre Experten sein müssen - was im Grunde kein Laie leisten kann. Sie dürfen nicht allein aus dem Bauch heraus oder moralischer Bedenken wegen Entscheidungen über solch hohe Summen treffen. Würde der Kreis zum jetzigen Zeitpunkt die Wertpapiere verkaufen, wäre der Verlust enorm. Es sei ihm aber dazu geraten, ein waches Auge auf den Aktienkurs zu haben und sich beim nächsten Hoch zumindest von den Aktien zu trennen, über die er derzeit verfügen kann. Denn fokussiert sich die RWE nicht stärker auf die regenerativen Energien, werden die Papiere langfristig immer weniger wert - so könnte aus dem Tafelsilber Ramschware werden. u.quickert@volksfreund.de Die Kreise verwalten ihre Aktien auf unterschiedliche Weise - mal sind sie dem Haushalt zugeordnet, andernorts in Eigenbetrieben. Im Kreis Cochem-Zell hält beispielsweise das Kreiswasserwerk den Großteil der Aktien. So konnte bei einer hohen Dividende der Wasserpreis gesenkt werden. uqSeit Ende der 20er Jahre hält der Kreis RWE-Aktien. Zuvor hatten die damaligen Kreise Bernkastel, Wittlich und Zell ihre eigenen Stromleitungen. Dieses Netz verkauften sie an die RWE und erhielten dafür Geld und Aktien. Als Rechtsnachfolger gingen die Wertpapiere an den Kreis Bernkastel-Wittlich über. Die Anzahl der Aktien hat sich im Laufe der Jahrzehnte erhöht - wegen der Teilnahme an Kapitalerhöhungen der RWE und Aktiensplitts, also der Aufteilung in kleinere Beträge. uq

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