Krippenplätze: Stadt fühlt sich allein gelassen

Bernkastel-Kues · Ab dem 1. August 2010 haben Zweijährige einen gesetzlichen Anspruch auf einen Krippenplatz. Um dem gerecht zu werden, kommen alleine auf die Stadt Bernkastel-Kues Kosten von zwei Millionen Euro zu.

Grünen-Ratsfrau Gertrud Weydert hatte mitgestoppt. "Sie haben 42 Minuten geredet", sagte sie durchaus respektvoll in Richtung von Stadtbürgermeister Wolfgang Port (CDU). Der hatte vorher in seiner Stellungnahme zum Haushalt 2010 offenbar allen aus der Seele geredet.

Port betete keine Zahlen her unter, sondern attackierte die Politik in der EU, in Bund und Land. Seine Kritik richtete sich vor allem an die Abgeordneten dieser Parlamente. Sie werden, so Port, nicht mehr ihrem Auftrag, der Vertretung des Volkes, gerecht.

"Man wird das Gefühl nicht los, und das gilt meines Erachtens uneingeschränkt für alle Parteien, dass immer mehr Klientelpolitik gepaart mit entrücktem Wirklichkeitsdenken die Maxime des Handelns bei unseren Abgeordneten in den Parlamenten ist", sagte er. Und es wurde noch heftiger. Port: "Was dort in den letzten Jahren an Dilettantismus geleistet, an unausgegorenen Gesetzen und Verordnungen in die Welt gesetzt wurde, ist beispiellos in der Geschichte unseres Landes." Das müsse vor allem an der Basis, in den Städten und Gemeinden ausgebadet werden. Bestes Beispiel: Mehr als drei Millionen Euro sollen investiert werden, um dem ab 1. August geltenden Rechtsanspruch zweijähriger Kinder auf einen Krippenplatz gerecht zu werden. Etwa zwei Millionen Euro davon muss die Stadt für die Arbeiten im Antonius-Kindergarten Kues, im integrativen Kindergarten auf dem Plateau und im Kindergarten im Stadtteil Wehlen hinblättern. Wobei zu erwähnen ist, dass in Kues und Wehlen große Um- beziehungsweise Neubauten notwendig sind.

Die Folge: Die Schulden, die Ende 2009 bei 8,727 Millionen Euro lagen, werden sich voraussichtlich auf 10,8 Millionen Euro erhöhen. Da bleibt es nicht aus, dass auf der Einnahmeseite an der Steuer- und Beitragsschraube gedreht wird. Gewerbesteuer, die von Grundstücks-besitzern zu zahlende Grundsteuer B und der Fremdenverkehrsbeitrag werden erhöht. Das Parken auf den bewirtschafteten Parkplätzen wird nach einer Freistunde um 20 Cent je Stunde teurer (siehe Extra). Die Gebühr wird in Zukunft auch im November und Dezember erhoben. Kostenfrei bleibt die Zeit zwischen dem 1. Januar und Ostern.

In seltener Einmütigkeit verabschiedete der Stadtrat den Etat. Auch von der Opposition gab es kaum Kritik. "In die Stadt wurde in den vergangenen Jahren investiert. Sie ist gepflegt. Wir haben uns weder Vorzeige-Objekte geleistet noch schlecht gewirtschaftet", sagte Brigitte Walser-Lieser (SPD).

EXTRA Haushalt 2010: Treffen die Prognosen zu, nimmt die Stadt eine Gewerbesteuer von 3,065 Millionen Euro ein. Durch die Erhöhung wären das 165 000 Euro mehr als beim bisherigen Hebesatz. Bei der Stadt kommt davon aber nicht viel an. Ihr bleiben nur 13 Prozent der Gewerbesteuer. Der Rest geht über Umlagen an übergeordnete Instanzen (Verbandsgemeinde, Kreis, Land). Die Erhöhung der Grundsteuer B führt dazu, dass Grundstücksbesitzer, die bisher durchschnittlich 300 Euro pro Jahr zahlen, 18 Euro mehr aufbringen müssen. Die Erhöhung des Fremdenverkehrsbeitrages (bisher 300 000 Euro) soll knapp 43 000 Euro mehr einbringen. Die Park-Gebühren (derzeit circa 300 000 Euro) bleiben vollständig bei der Stadt. Das gilt auch für die erhofften Mehreinnahmen. (cb)

Meinung Erhöhung bleibt im Rahmen
Not schweißt zusammen, heißt es so schön. Mit Blick auf die große Einmütigkeit mit der der städtische Etat verabschiedet wurde, stimmt das. Aber natürlich ist Not etwas anderes. In Haiti herrscht sie und in vielen anderen Ländern, in denen es an Grundnahrungsmitteln und sauberem Wasser fehlt. Von daher muss manche Blickweise relativiert werden. Not herrscht in Bernkastel-Kues natürlich nicht. Aber wer aus eigenen Mitteln allein zwei Millionen Euro für Kinderkrippen-Plätze zahlen muss, darf sich mit Fug und Recht von den Regierungen in Berlin und Mainz allein gelassen fühlen. Und das ist in großer Einmütigkeit auch so gesagt worden. Einige Abgaben mussten erhöht werden. Doch das bleibt (noch) im Rahmen. c.beckmann@volksfreund.de

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