Kritik am Windpark Ranzenkopf wächst

Hunolstein/Gornhausen · Einen Teil der Kulisse des Hunsrücks werden bald Windkraftrotoren bestimmen. Denn am Ranzenkopf, einem großen geschlossenen Waldgebiet zwischen Hunsrück und Mosel, sind mehrere Windkraftanlagen geplant. Anwohner haben Bedenken und sehen die Natur gefährdet.

Kritik am Windpark Ranzenkopf wächst
Foto: (m_huns )

Hunolstein/Gornhausen. Windkraft ja - aber nicht unbedingt in einem Naturschutzgebiet: Den Plan, am Ranzenkopf Windkraftanlagen zu bauen, sieht Sabine Lütt aus Hunolstein sehr kritisch. "Ich finde Atomkraft wirklich schlimm, und Windkraft ist ja grundsätzlich eine gute Alternative", sagt Lütt, die in ihrer "Regenbogenschmiede" Möbel in organischen Formen oder Teemischungen aus selbst gesammelten Kräutern anbietet. Sie sei gewiss keine Sprecherin der Atomlobby, versichert sie. Sie hat folgende Kritikpunkte:

Sorge um den Wald: Für eine alternative Energieform einen alten Mischwald mit vielen Quellen und Feuchtbiotopen aufzugeben, der in einem Naturschutzgebiet liege, erscheint ihr nicht sinnvoll. In der Nähe der geplanten Anlagen liege außerdem ein Wasserschutzgebiet. "Was passiert, wenn so ein Rotor mal Feuer fängt? Dabei könnte Kühlmittel oder Getriebeöl auslaufen", sorgt sie sich. Diese könnten das Gebiet kontaminieren. "Für den seltenen Rotmilan gilt ein Schutzabstand von 1,5 Kilometern, aber offenbar nicht für unser Wasser", sagt Lütt. Es sei dennoch gut, dass die Bürger und auch die Umweltorganisationen, wie der BUND, dem sie selbst angehört, in die Genehmigungsverfahren einbezogen würden.

Zerstückeltes Verfahren: Einige Anlagen sind inzwischen installiert, andere befinden sich im Genehmigungsverfahren. Dabei sind mehrere Standorte von Horath bis Gornhausen vorgesehen. Und zudem gibt es auch mehrere Betreibergesellschaften, die Windenergieanlagen einrichten wollen: Juwi, die Windenergie Wintrich, die AöR (Anstalt öffentlichen Rechts) Bernkastel-Wittlich und weitere Firmen.
"Das Verfahren ist zerstückelt, mehrere Genehmigungen laufen parallel, und es ist für den Bürger, der kein Fachmann ist, schwer zu durchblicken. Ich finde, dass es ein großer Unterschied ist, einen Windpark zum Beispiel in einer ehemaligen Militäranlage zu bauen wie bei der Energielandschaft Morbach oder in einem gesunden Wald."

Bis zu 90 Anlagen: Wenn alle geplanten Windräder mal fertig sind, dann werde der gesamte Höhenzug von diesen Anlagen dominiert. "Wenn man die Energielandschaft Morbach und den Windpark Heidenburg dazu rechnet, dann stehen bis zu 90 Anlagen in der Landschaft." Gerade durch die vielen Traumschleifen-Wanderwege werde der Hunsrück zunehmend attraktiver, schließlich verlaufe die Hunolsteiner Klammtour durch ihren Ort. Der Anblick von Windkraftanlagen würde das entwerten. Auch die alte und historische Römerstraße sei von den Bauarbeiten betroffen. "Es sind ja nicht die Anlagen allein, sondern auch die Straßen, die gebaut werden müssen, damit Fahrzeuge sie zum Beispiel wegen Wartungsarbeiten erreichen können. Außerdem müssen Erdkabel verlegt werden", sagt Lütt.

Der Häufungseffekt: Das sieht Karin Fass-Gronau vom Verein Wald in Not ähnlich: "Es ist sozusagen ein Kumulationseffekt. Es sind zwar mehrere Betreiber, aber in der Gesamtheit kommen schon sehr viele Windkraftanlagen zusammen. Man muss das im räumlichen Zusammenhang sehen. Die Frage ist doch, inwieweit die Einzelprojekte nicht doch als ein großer Windpark zu betrachten sind. Dann gelten nämlich andere Bestimmungen für die Inbetriebnahme." Sandra Spurzen-Hansen, Pressesprecherin der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz, verweist auf die Zuständigkeit der Kommunen: "Maßgeblich ist der Landesentwicklungsplan (LEP) IV, der festlegt, wo Windkraftanlagen betrieben werden können und wo nicht. Die Planung der Anlagen und die Genehmigung obliegt den Kommunen."

Verpflichtung zum Rückbau: Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord gibt dazu den Rahmen vor. Windenergieanlagen fallen nach dem Baugesetz unter "privilegiert zulässige Anlagen im Außenbereich". Dazu gehört auch eine "Rückbauverpflichtungserklärung". Das bedeutet, dass die Anlage nach Nutzungsdauer wieder abmontiert werden muss. Außerdem sei entscheidend, ob es eine sogenannte "Konzentrationsflächenplanung" gibt, die zum Beispiel der Flächennutzungsplan vorschreibt oder nicht. Für die Zulassung einer Anlage sind der LEP IV, der Regionale Raumordungsplan, der Flächennutzungsplan und der konkrete Bebauungsplan relevant. Wenn das Vorhaben allen Auflagen dieser Pläne entspricht, kann letztlich die Genehmigung erfolgen.

Initiative erhebt Einspruch: In Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens hat nun Karin Fass-Gronau Einspruch eingelegt. Sie hat konkret Einwand gegen die Anträge der Abo-Wind AG zur Errichtung von zwei Windenergieanlagen in der Gemarkung Merschbach (VG Thalfang) eingelegt. In diesem konkreten Verfahren hat sie das Zeitfenster der Offenlage des Flächennutzungsplanes genutzt, in dem Bürger Einspruch einlegen können. Fass-Gronau fordert eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Diese Prüfung war bislang noch nicht Gegenstand des Verfahrens. Fass-Gronau argumentiert aber damit, dass am Ranzenkopf mehrere Vorhaben derselben Art, nämlich Windkraftanlagen, in einem engen räumlichen Zusammenhang stehen. Das sei ein "kumuliertes Vorhaben". Deshalb könnten diese nicht getrennt betrachtet werden, was bislang eine UVP ausschloss. Falls eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgen muss, müsste die Planung nochmals überprüft werden.Meinung

Die Summe macht's
Zweifelsohne ist es sinnvoll, langfristig auf erneuerbare Energie zu setzen. Mit der Energiewende schafft die Politik dafür finanzielle Anreize. Es sind also Steuergelder jedes einzelnen Bürgers, die letztlich wieder in Form von Subventionen zurück an die kommunale Familie fließen. Das sind einerseits die Pachteinnahmen, die von privatwirtschaftlichen Betreibern an die Dörfer bezahlt werden. Andererseits ist es aber auch der wesentlich höhere Netto-Gewinn, der dann zurückfließt, wenn Kommunen selbst zum Betreiber werden, wie das bei der Anstalt öffentlichen Rechts der Fall ist. Das bedeutet aber auch, dass - konkret am Ranzenkopf - mehrere Akteure im Spiel sind. Jedes einzelne Projekt muss genehmigt werden. Jedes einzelne Projekt ist - für sich betrachtet - vielleicht nicht so landschaftsprägend. Aber letztlich ist die Summe entscheidend. Daher ist es völlig nachvollziehbar, wenn Anwohner nun Bedenken anmelden, nachdem immer mehr Anlagen geplant wurden. Ein Windpark mit 60 Rotoren wirkt auf viele dann doch wie eine Industrieanlage mitten in einer Urlaubsregion. Über die Konsequenzen dieses Anblicks herrscht offenbar Diskussionsbedarf. hp.linz@volksfreund.deExtra

 Sabine Lütt sieht die Naturlandschaft am Ranzenkopf durch zu viele Windkrafträder gefährdet. Tv -Foto: Hans-Peter Linz

Sabine Lütt sieht die Naturlandschaft am Ranzenkopf durch zu viele Windkrafträder gefährdet. Tv -Foto: Hans-Peter Linz

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Morbach: acht Anlagen geplant, Flächennutzungsplan abgelaufen, Bundesimmissionschutzgesetz (BImSCHG) noch nicht terminiert. Merschbach: zwei Anlagen geplant, Anhörung am 26. Juli im Rahmen des BImSCHG. Horath: zwei Anlagen in Bau, Genehmigung erteilt, von Nabu angefochten, schwebendes Verfahren. Gornhausen: zwei Anlagen, davon zwei gebaut, insgesamt vier Räder genehmigt. AöR Energie Bernkastel-Wittlich: 15 Anlagen geplant, Rodungsstopp durch Nabu, neue Umweltverträglichkeitsprüfung läuft. Wintrich: 17 Anlagen geplant, Rodungsstopp durch Nabu, neue UVP läuft. Veldenz: 4 Anlagen gebaut. Insgesamt: 60 Anlagen, wenn alle genehmigt werden. hpl

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