Kulturtag vor leeren Stühlen

Wittlich · Muss Kultur massentauglich sein? Die Stadtbücherei hat am Samstag zu einer anspruchsvollen Lesung eingeladen. Vielleicht ein wenig zu anspruchsvoll - zumindest für die meisten potenziellen Zuschauer.

Wittlich. Eins vorweg: Das Problem sind nicht die beiden Frauen. Dorothea Baltzer und Christina Meißner, die Schauspielerin und die Musikerin, sie verstehen etwas von ihrem Job. Samstagabend in der Synagoge: Meißner, blond, spielt Cello, Baltzer, dunkelhaarig, rezitiert den spanischen Dichter Federico García Lorca in deutscher Übersetzung. Sie sind gut aufeinander abgestimmt, mal hört man das Cello, mal die Stimme, zwei Stunden lang. Eine musikalische Lesung. Niemand verspielt sich, niemand verspricht sich. Alles sehr professionell.
Also noch einmal: Das Problem sind nicht die beiden Frauen. Das Problem ist, dass es hier um Lorca geht. Lorca, der alles andere als massentauglich ist. Lorca, der Sätze geschrieben hat wie: "Das Licht ist Gott, der herabsteigt, die Sonne - Bresche des Himmels, durch die der Herr sich verströmt." Schwere Kost. Die Stadtbücherei hat sich daran nicht gestört und die Lorca-Lesung im Rahmen der Wittlicher Kulturtage organisiert.
Man könnte sagen: Es ist der Versuch, ein bisschen Wien, ein bisschen Weimar in die Eifel zu transportieren. Ein kläglich gescheiterter Versuch, zumindest gemessen an den Zuschauerzahlen: Nur 25 Menschen saßen in der Synagoge, Veranstalter und Presse nicht mitgezählt. Die meisten Stühle blieben leer.
Hat die Stadtbücherei mit mehr Zuschauern gerechnet? "Ein bisschen", sagt Büchereileiterin Elke Scheid. "Aber es war halt eine recht anspruchsvolle Veranstaltung. Die anderen Sachen bei den Wittlicher Kulturtagen waren eher Publikumsmagneten." Trotzdem zufrieden mit dem Abend, Frau Scheid? "Mir hat\'s gut gefallen." Das sehen die anderen Zuschauer ähnlich. Die Musik sei "unwahrscheinlich interessant", sagt eine Frau in der Pause, nur die Schauspielerin habe sie von ihrem Platz aus kaum verstanden. "Deshalb hab ich mich umgesetzt." Anderer Platz, bessere Akustik. Freie Stühle gibt es ja genug.
Extra

ZuschauerstimmenUrsula Simon: "Es hat mir sehr gut gefallen. Ich kenne Lorca ein bisschen, und es hat mich überrascht, dass es so komprimiert und auf den Punkt gebracht war. Die Cellistin war wunderbar." Wendelin Weber: "Christinas Spiel begeistert mich seit Jahren, seit ich sie das erste Mal gehört habe. Diese Kombination mit der Dichtung fasziniert mich. Ein solcher Abend ist wie eine ganze Oper." gub

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