"Kunst ist mein Leben"

Ürzig · Robert Dziendziol könnte man als wahren Lebenskünstler bezeichnen. Denn zum Leben braucht der 49-Jährige außer Kunst kaum etwas. Seine Arbeiten entstehen in seiner Wahlheimat Ürzig, zu sehen sind sie derzeit im Wittlicher Kreishaus.

Ürzig. In einem alten Haus aus Schieferbruchstein wohnt und arbeitet Robert Dziendziol. Hier in Ürzig experimentiert er mit allen möglichen Formen der bildenden Kunst. Keramik, Öl, Acryl, Tusche, Collagen, Apparaturen, Isolierschaum, tote Insekten - das Material ergibt sich aus dem Zufall. Dziendziol nimmt, was er gerade um sich herum greifbar hat. Ein Freund bezeichnet ihn als Spielkind. Bei einem Diner formt er aus Tropfenfängern Schneebälle, bei einer Gartenparty legt er aus Steinen Bilder ins Kiesbett.
TV-Serie Atelierbesuche


Dziendziol arbeitet in jedem Raum seines Hauses, ob Küche, Wohnzimmer, Garten oder Keller. Überall finden sich Materialien und Werkzeuge zwischen Einrichtung und Alltagsutensilien. "In meinem Zuhause und im Garten kann es vollkommen chaotisch zugehen, und ich bin mit lauter halbfertigen Dingen zufrieden", kommentiert er das Durcheinander um ihn herum. In seiner Arbeit ist es umgekehrt. Da beschreibt sich Dziendziol als Pedant. Hunger und Müdigkeit können ihn nicht unterbrechen, bis das Begonnene perfekt ist.
Am vertrautesten ist dem Künstler die Keramik. An der Glasurmalerei liebt er das Quäntchen Ungewissheit, nämlich dass das Pulver, mit dem er die Glasur anrührt, seine wahre Farbe immer erst im Brennvorgang zeigt.
Dziendziol ist Autodidakt. Bewerbungen an Kunsthochschulen verliefen im Sand. Er suchte sich seine Lehrer selbst und fand sie in Jürgen Spieß aus Gars, Joachim Klauer aus Höhr und Al brecht Klauer-Simonis aus Weißenseifen. Kontakt knüpfte er zu ihnen während seines Ingenieurstudiums an der Fachhochschule für Keramik in Höhr-Grenzhausen, das er abbrach, weil es "in künstlerischer und gestalterischer Hinsicht unbrauchbar" war, wie er sagt.
Um für die raumgreifenden keramischen Arbeiten zusätzlichen Raum zu gewinnen, hat Dziendziol das rückwärtig an sein Haus angrenzende renovierungsbedürftige Gebäude gekauft. Sein Traum ist es, das Erdgeschoss als Ausstellungsraum herzurichten. Bis es so weit ist, präsentiert er seine Kunst an anderen Orten: Bis zum 20. Januar zeigt er keramische Wandbilder und Tuschezeichnungen im Wittlicher Kreishaus.
Wäre Dziendziol aufgefordert, ein Bild zu malen, das ihn und seine Stellung zur Kunst beschreibt, dann würde er sich auf einer Müllhalde darstellen, aus der er Dinge zieht und daraus Neues zaubert. Das könnten schöne Gegenstände sein, die den Lebensgenuss steigern. Es könnten aber auch Dinge sein, die eher wie bittere Medizin schmecken.
Keramik, Öl und Tusche


Letzteres entspräche seiner Lust an Kunst, "die Wahrheit verkündet". Könnte er sich Aufträge aussuchen, würde er sich für Kunst am Bau entscheiden, weil sie überzeitlich ist. Dziendziol sucht die Herausforderung, ein Werk zu schaffen, das losgelöst von seiner Zeit seine Bedeutung nicht verliert. Dabei beschränkt er sich nicht auf Keramik. Er hat früher viel in Öl gemalt, bis heute zeichnet er gerne mit Tusche. Er baut auch Apparaturen, so wie einen Setzkasten, in dem kleine Flaschen blinken, oder ein Wandbild mit elektrischem Schaltkreis, der aufgefädelte Unterlegscheiben ins Rotieren bringt und so Geräusche erzeugt.
Dziendziol mag das Ungewöhnliche und will überraschen. Das gelingt ihm seit Neuestem auch mit Fotografien. Wie ein Regisseur hat er Szenerien entworfen, die er fotografisch ablichten ließ. In einer verfolgt ein nackter, abgemagerter Mann im Rollstuhl eine Frau mit der Mistgabel.
"Kunst ist mein Leben", sagt Dziendziol. Und sie ist mehr. In seinen Augen ist sie "eine elementare Grundlage, ohne die menschliche Kultur nicht denkbar wäre". Der 49-Jährige vergleicht die Kunst mit der Liebe: "Von Luft und Liebe kann der Mensch nicht leben. Doch ohne Liebe geht er zugrunde." Dennoch wird die Kunst so wenig geachtet, dass Dziendziol aus eigener Erfahrung weiß, wie schwer es ist, davon zu leben. Vor allem, wenn man wie er nicht gerne gefällige Kunst anbietet.
Ohne Nebenjob oder Gelegenheitsarbeit geht es nicht, auch wenn Dziendziol bescheiden lebt. Jahrelang hat er in einer Ofenbaufirma als Keramiker die Kacheln zur Verkleidung der Öfen hergestellt. Typisch für ihn: Sein eigener Kachelofen, der unterm Dach den einzigen Raum in seinem Haus beheizt, ist unfertig - ausgerechnet die Kacheln fehlen.
Die Ausstellung "Schweine und Fische" im Foyer der Kreisverwaltung Wittlich dauert noch bis zum 20. Januar. Die mehr als 20 Werke bieten eine Mischung von Tuschezeichnungen und Glasurmalerei. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 7 bis 18 Uhr. Freitag von 7 bis 15 Uhr.

Kontakt: Robert Dziendziol, Im Kordel 5, Ürzig. Telefon: 06532/1598, Internet: www.gero-net.de/robert
Extra

Robert Dziendziol wurde 1962 in Köln geboren. Von 1985 bis 1992 studierte er an der Fachhochschule für Keramik in Höhr-Grenzhausen, brach das Ingenieurstudium aber vorzeitig ab. 1993 zog er nach Ürzig und arbeitet dort seitdem als freischaffender Künstler. 1997 schloss er eine Lehre als Keramiker in der Ofenbaufirma Henrichs in Zeltingen-Rachtig ab. Zwischen 1993 und 1997 besuchte er regelmäßig Symposien in Zeichnen und Bildhauerei in der Künstlersiedlung Weißenseifen. Seit 2007 stellt er jährlich seine Werke aus, unter anderem in Frankfurt, Paris und Mainz. sys

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