Bildende Kunst Das Archaische und die Moderne verbinden

Bernkastel-Kues · Wenn in den nächsten Wochen das „Deinhard’s“-Hotel in Bernkastel-Kues seinen Betrieb aufnimmt, wird eine auch von außen sichtbare, überlebensgroße Skulptur von Markus Lüpertz den Besucher in der Lobby empfangen. Der TV konnte schon einen Blick auf das Kunstwerk des deutschen „Malerfürsten“ werfen.

 Diese Figur des Bacchus Dionysos steht in der Lobby des neuen Hotels „Deinhard‘s“ in Bernkastel-Kues.

Diese Figur des Bacchus Dionysos steht in der Lobby des neuen Hotels „Deinhard‘s“ in Bernkastel-Kues.

Foto: TV/Hans-Peter Linz

Er ist überlebensgroß und öffentlich sichtbar, obwohl er in einer Hotellobby steht: Bacchus Dionysos blickt vom Wein- und Kulturzentrum „Deinhard’s“ in der Altstadt von Bernkastel-Kues auf die Mosel. Die Bronzeskulptur des griechischen Weingottes stammt von Markus Lüpertz, der vielen als „Malerfürst“ Deutschlands gilt. Er hat die Arbeit für den Bernkastel-Kueser Investor Michael Willkomm angefertigt, der Wert darauf legt, dass die Skulptur auch für die Öffentlichkeit sichtbar ist.

Betritt man die Lobby und betrachtet die Skulptur, dann schreitet einem Bacchus mit Heiterkeit, aber auch mit Kraft entgegen. In der einen Hand eine Weinrebe, in der anderen einen Kelch, blickt er über den Betrachter hinweg, als würden seine Augen den Fluss, die Mosel, suchen. Er steht nicht auf Füßen, sondern auf Hufen wie ein Satyr (halbmenschliches Wesen der griechischen Sagenwelt). Das verdeutlicht jenes animalische Element, das beim Genuss und bei dessen gesteigerter Form, dem Rausch oder sogar der Extase, mitschwingt.

Der Bezug zum Satyr soll vielleicht auch auf die Ursprünge der Mosel-Kulturlandschaft verweisen, die weit vor die christliche Zeit und römische Epoche zurückreichen. In eine Zeit, in der das Animalische zum Beispiel in der Kultur der Kelten, die hier einmal lebten, eine große Bedeutung hatte; in eine Zeit, in der der Mensch und die Natur sich näher standen.

Dort liegen die Ursprünge des Mythos Mosel, in längst vergessenen Zeiten, die aber immer noch nachwirken, auch wenn sich manche dessen gar nicht bewusst sind. Lüpertz’ Bacchus wirkt kraftvoll. Seine Muskeln sind stark betont, erscheinen aber andererseits auch ein wenig verletzlich, denn die Oberfläche ist nicht geschlossen, sondern weist Riefen und Einschlüsse auf. Sie wirkt wie die Oberfläche eines Meteoriten, der – vom Sternenstaub gezeichnet – irgendwann auf die Erde stürzte. Bacchus hat eine starke Präsenz, er versinnbildlicht eine Kraft (oder einen Trieb?), die von Anbeginn zur Menschheit gehört, auch wenn sie oft im Unbewussten wirkt.

Lüpertz’ Arbeit ist kraftvoll und wirkt zeitlos, was durch die Bemalung wieder ein wenig gebrochen wird. Denn die Bronzeskulptur gibt sich als solche nicht zu erkennen, zumindest nicht auf den ersten Blick. Von den schwarzen Satyrhufen ändert sich die Farbe in Richtung Braun-gelb und Grün. Alles sehr irdene, stoffliche Farben, die sich mit der Bronze verbinden und sich auch nach und nach leicht verändern, wie der Künstler versichert: Bacchus in Wechselwirkung mit der Zeit.

Im Gespräch mit dem Volksfreund erklärt Lüpertz, dass sein Auftraggeber ihm völlig freie Hand gelassen habe. So sei schlussendlich jene Skulptur entstanden, die er nun als seinen Statthalter in Bernkastel-Kues sieht. Dafür habe er im vergangenen Jahr die Mosel bereist. „Das ist eine wunderbare Gegend hier. Ich bin in der Pandemie oft durch deutsche Landschaften gefahren. Hier habe ich ein Highlight entdeckt“, sagt Lüpertz. Ihn fasziniere die weit zurückreichende Geschichte der Mosellandschaft. Da sei eine „seltsame Symbiose“ von dem, was da ist, und was daraus gemacht wird.

Es sind die Aspekte von jahrtausendealter Tradition, deren Ursprünge ein Stück weit im Dunkeln, im Mythos liegen, und der Schaffung von Vergänglichem und damit immer wieder Neuem, eben auch vom Wein, die sich in der Figur des Lüpertzschen Bacchus verdichten.

Markus Lüpertz wurde 1941 in Reichenberg im heutigen Tschechien geboren und zählt zu den bekanntesten deutschen Künstlern der Gegenwart. Er arbeitet als Bildhauer, Grafiker und Maler und wird dem Neoexpressionismus zugeordnet, einer Stilrichtung, die sich in den 1960er Jahren als Gegentrend zur abstrakten Kunst entwickelte und ganz bewusst auf starke Strukturen, Farben und eine eher raue Darstellungsform setzte.

Lüpertz’ Werke sind unter anderem in der Pinakothek in München, im Palais des Beaux-Arts in Brüssel und im Tel Aviv Museum in Israel zu sehen. Lüpertz war von 1988 bis 2009 Rektor an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf.

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