Kurze Beine, lange Wege: Ärger um das Auswahlverfahren an der Gesamtschule Salmtal

Salmtal · Die Integrierte Gesamtschule (IGS) Salmtal erfreut sich großer Beliebtheit. Zum neuen Schuljahr haben sich weitaus mehr Schüler angemeldet als aufgenommen werden dürfen. Weil auch Kinder, die in Salmtal oder der näheren Umgebung wohnen, abgelehnt wurden, gibt es jetzt Ärger. Der Schulleiter weist die Kritik zurück. Es gebe klare Aufnahmekriterien, die eingehalten werden müssten.

Salmtal. Manfred Hower, Mitglied der FWG-Fraktion im VG-Rat Wittlich-Land, spricht deutliche Worte: "Es kann doch nicht sein, dass Kinder aus Salmtal oder der näheren Umgebung die IGS Salmtal nicht besuchen dürfen und mit dem Bus zu einer Wittlicher Schule gefahren werden, während gleichzeitig Kinder aus Kröv oder Speicher nach Salmtal fahren. Das ist schlecht für die Umwelt und kostet Geld und Zeit."
Hower ist der Meinung, bei der Auswahl der Schüler müsse auch der Wohnort eine Rolle spielen. Und mit dieser Meinung steht er nicht allein. Auch die anderen Fraktionen im VG-Rat teilen grundsätzlich Howers Meinung.Maximal vier Klassen


Das Problem: Die IGS Salmtal muss eine Auswahl treffen, denn 145 ehemalige Grundschüler haben sich an der IGS für 2015/16 angemeldet. 112 können aber nur aufgenommen werden. Das sind vier Klassen à 28 Schüler. "Mehr als vier Klassen dürfen wir laut Gesetz derzeit nicht bilden", sagt Schulleiter Peter Riedel.
Seit Langem seien die Aufnahmekriterien auf der Homepage der Schule zu lesen, außerdem habe es Infoveranstaltungen für die Eltern gegeben. Ein Aufnahmeausschuss bestehend aus einem Stellvertreter des Schulleiters, einem pädagogischen Koordinator für die Klassen 5 und 6 und der Elternsprecher habe die Auswahl getroffen.
Diese richte sich nach der Schulordnung sowie nach Kriterien, die die IGS selbst vorgebe. Schüler aller drei Begabungsrichtungen, also gute, mittlere und schlechtere Schüler, müssten berücksichtigt werden. Dabei dürften aus dem obersten Leistungsdrittel 50 Prozent der Plätze besetzt werden. Tatsächlich, so Riedel, fielen aber nur 33 Schüler in diese Kategorie. Das seien etwas weniger als ein Drittel. Ein weiteres Kriterium: Bevorzugt werden Kinder aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich. Riedel macht aber deutlich: "Daraus ergibt sich nicht, dass jemand aus einer bestimmten Verbandsgemeinde Vorrang hat. Wir können beispielsweise nicht ein Kind aus Ürzig ablehnen und dafür eines aus Salmtal oder Dreis bevorzugen. Das wäre Willkür und rechtlich anfechtbar."
In einem weiteren Schritt wendet die Schule interne Richtlinien an. Wer sich für die Musik-Bläser-Ganztagsklasse oder die rhythmisierte Ganztagsklasse entscheidet, hat Vorrang. Eine rhythmisierte Ganztagsklasse bedeutet, dass die Schüler keine Hausaufgaben aufhaben. Dafür gibt es mehr Übungen im Unterricht, der ausgeweitet wird. Ferner werden Schüler bevorzugt, die bereits einen Bruder oder eine Schwester an der Schule haben.
Riedel kann den Ärger der Eltern, die in oder nahe Salmtal wohnen und deren Kinder nicht an der IGS aufgenommen wurden, verstehen. Riedel: "Der gesunde Menschenverstand sagt, dass eine solche Entscheidung nicht nachvollziehbar ist. Aber wir können niemand willkürlich bevorzugen, sondern müssen uns an die Kriterien halten."VG investiert in Schule


Eine Aussage, die nicht nur FWG-Mann Manfred Hower kaum verstehen kann. Auch Wolfgang Moritz, Fraktion Die Grünen im VG-Rat, sagt: "Eine Schule darf nicht so unbeweglich sein. Man muss andere Wege finden." Franz Josef Krumeich (CDU) findet: " ,Kurze Beine, kurze Wege\' sollte das Motto sein." Er verweist, ebenso wie Rita Wagner (FDP), auf das viele Geld, das die VG, als sie noch Träger der Schule war, in die Schule investiert habe. Rita Wagner freut sich über den großen Zuspruch für die IGS - ein Zeichen, dass dort sehr gute Arbeit geleistet werde. Gleichzeitig fordert sie den Kreis auf, sich baldmöglichst um einen Antrag für die Oberstufe zu kümmern.
Die Schule ist seit 1. Januar in Trägerschaft des Kreises. Auf ihr lasten nach Angaben von VG-Chef Dennis Junk noch 850 000 Euro Schulden, die die Verbandsgemeinde abbezahlen muss.
Auch Junk hält die Auswahlkriterien der Schule für fragwürdig. Offenbar habe sie sich zu enge Grenzen gesetzt. Wenn auch für das Schuljahr 2015/16 das Auswahlverfahren abgeschlossen sei, müsse die Schule in Zukunft "im Sinne der Bürger der Verbandsgemeinde" anders vorgehen.
Die Kreisverwaltung teilt mit, dass sie beim Aufnahmeverfahren keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten habe. Der Ärger der Betroffenen sei aber im Einzelfall durchaus nachvollziehbar. Die Kreisverwaltung werde daher mit der Schulleitung sprechen und überlegen, inwiefern die Aufnahmekriterien für künftige Verfahren im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben angepasst werden könnten.
Angelika Brost (SPD) hält eine solche Anpassung ebenfalls für notwendig. Brost: "Die Wohnortnähe sollte in Zukunft berücksichtigt werden."
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Die Schule muss entscheiden
Eine Schule, die sich ihre Schüler auswählen kann, darf sich grundsätzlich glücklich schätzen. Es gibt genug Schulen, die um jedes Kind kämpfen müssen, um die Klassen vollzukriegen. Auswählen heißt aber auch aussieben. Und dafür müssen Kriterien festgelegt werden. Wichtigstes Merkmal einer Integrierten Gesamtschule ist, dass etwa die gleiche Zahl an Schülern mit guten, mittleren und schlechten Noten aufgenommen wird. Und das ist gleichzeitig auch das wichtigste Auswahlkriterium. Und eine Schule kann attraktive pädagogische Angebote machen. Wer ein solches Angebot annimmt, wird bevorzugt. Das ist vernünftig. w.simon@volksfreund.de Der Ärger der Eltern aus Salmtal und der umgebenden Dörfer ist verständlich. Denn ein Kind mit dem Bus nach Wittlich zu schicken, wenn es im Ort oder zumindest in der Nähe eine weiterführende Schule gibt, ist nicht nachvollziehbar. Für die Fünftklässler ist es eine unnötige Belastung. Die Busfahrt bedeutet Stress, der Schultag ist deutlich länger. Möglicherweise sind auch Familien gerade deshalb nach Salmtal gezogen, weil es dort eben eine Infrastruktur mit Kindergarten, Grundschule und weiterführende Schule gibt. Ganz abgesehen davon kosten Busfahrten Geld. Und das muss der Kreis, der ohnehin klamm ist, zahlen. n.john@volksfreund.deExtra

Die Integrierte Gesamtschule (IGS) Salmtal ging zum Schuljahr 2011/12 an den Start. Sie befindet sich im Aufbau, es gibt zurzeit nur die Klassenstufen fünf bis acht mit jeweils vier Klassen. 423 Schüler sind aktuell an der Schule. Die Oberstufe beginnt, wenn alle Genehmigungen vorliegen, im Schuljahr 2018/19. Die ersten Schüler können im Jahr 2021 an der IGS Salmtal ihr Abitur machen. Dann hat die Schule etwa 800 bis 900 Schüler. sim

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