Landrat von Bernkastel-Wittlich äußert sich zur Asylpolitik und den Problemen der Kommunen

Bernkastel-Wittlich · Der nicht endende Flüchtlingsstrom trifft die Kommunen hart. Sie müssen, wenn die Menschen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen kommen, für Wohnraum sorgen. Gregor Eibes, Landrat von Bernkastel-Wittlich, benennt im Gespräch mit dem TV die Probleme, sagt aber: "Der Zuzug dieser Menschen ist auch eine Chance für den ländlichen Raum - wenn die Integration gelingt."

 Die Unterbringung der vielen Flüchtlinge stellt die Kommunen vor große Herausforderungen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Die Unterbringung der vielen Flüchtlinge stellt die Kommunen vor große Herausforderungen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Bernkastel-Wittlich. Rund 900 Asylbewerber leben aktuell im Landkreis Bernkastel-Wittlich, bis Ende des Jahres werden es nach Einschätzung der Kreisverwaltung 1035 sein. Dabei ist die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Wittlich, wo zunächst 1500 Menschen Platz finden sollen, nicht mitgerechnet.
Jede Woche kommen aus der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) Trier 30 bis 50 Flüchtlinge in den Kreis.
Der Kreis verteilt die Menschen wiederum auf die Verbandsgemeinden, die Einheitsgemeinde Morbach und die Stadt Wittlich. Je mehr Einwohner, umso mehr Flüchtlinge muss die Kommune aufnehmen. Im Einzelnen: die Stadt Wittlich 16,5 Prozent, die EG Morbach 9,5 Prozent, die VG Bernkastel-Kues 25,0 Prozent, die VG Thalfang 6,6 Prozent, die VG Traben-Trarbach 16,0 Prozent und die VG Wittlich-Land 26,4 Prozent. Noch gibt es offenbar keine Probleme, den Menschen Wohnraum zu verschaffen. Landrat Gregor Eibes: "Wir haben noch keine Rückmeldung, dass keine Wohnungen mehr zu bekommen sind. Es wird aber immer schwieriger werden."
Für Eibes muss die dezentrale Unterbringung der Menschen Vorrang haben, also möglichst wenige Menschen auf möglichst viele Gemeinden verteilen. Dann könne die Integration am besten gelingen. Große Gemeinschaftsunterkünfte seien nur die zweitbeste Lösung.
Nach TV-Informationen gibt es aber offenbar Überlegungen, das privat betriebene Freizeitzentrum Idarwald in Bischofsdhron, Gemeinde Morbach, als Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge zu nutzen. Das Haus verfügt über 13 Zimmer und 66 Betten. Es wird vor allem von Familien, Schulklassen, Musikgruppen, Tagungsgruppen und Sportlern genutzt. Geschäftsführerin Karin Reichert bestätigt, dass es seitens der Gemeindeverwaltung Morbach eine entsprechende Anfrage gegeben habe. Bürgermeister Andreas Hackethal will sich dazu nicht äußern.
Wie viele Flüchtlinge kann ein Kreis wie Bernkastel-Wittlich verkraften? Landrat Eibes will keine Obergrenze nennen, sagt aber: "Der Strom muss abebben."
Dazu brauche es Instrumente und Regelungen. Eibes ist in Sorge, dass die Stimmung in der Bevölkerung umkippen könnte und sich eine ablehnende Haltung gegenüber den Flüchtlingen festsetzt. Eibes: "Wenn das geschieht, wird die Integration nicht gelingen."
Angesichts der demografischen Entwicklung, der Leerstände in vielen Dörfern und des Fachkräftemangels sieht Eibes sogar eine Chance für den ländlichen Raum. Die größte Herausforderung sei dabei die Integration. Eibes: "Wenn uns dies gelingt, bin ich zuversichtlich."
Der Kreis hat zum 1. Oktober eine Koordinierungsstelle für Flüchtlingshilfe eingerichtet und mit der Pädagogin Silke Meyer eine zusätzliche Fachkraft eingestellt. Die Stelle ist auf ein Jahr befristet. Dass danach das Flüchtlingsthema abgehakt ist und die Stelle überflüssig wird, hält Eibes für eher unwahrscheinlich.
Mehr Personal, mehr Aufgaben und größere Herausforderungen sind das eine, die finanzielle Belastung des Kreishaushaltes das andere. Im Jahr 2013, so rechnet die Kreisverwaltung vor, verursachten Lebensunterhaltung, Unterkunft und Krankenhilfe für die Flüchtlinge Kosten in Höhe von 1,68 Millionen Euro. Das Land erstattete aber nur 934 000 Euro.
Verbleiben ungedeckte Restkosten von 744 000 Euro. Im vergangenen Jahr blieb der Kreis auf 933 000 Euro sitzen, für dieses Jahr rechnet Eibes mit einer Belastung von 1,6 Millionen Euro.
Mehr als 1000 Euro koste ein Flüchtling pro Monat die Kommunen, sagt Landrat Eibes. Derzeit zahlt das Land 513 Euro.
670 Euro pro Flüchtling und Monat erhalten die Kommunen ab kommendem Jahr vom Bund. Eibes fordert, dass das Land auch die Pauschale von 513 Euro weiterzahlt.Meinung

Eine positive Stimmung hilft
Keine Frage: Die Aufnahme und Integration von weit mehr als einer Million Flüchtlinge bis Ende des Jahres ist eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen seit Jahrzehnten. Man kann über die Asylpolitik der Bundeskanzlerin dieser oder jener Meinung sein - Fakt ist, die Menschen sind jetzt da, und es werden täglich mehr. Und sie brauchen im ersten Schritt Unterkunft und Verpflegung. Mit der Einrichtung der Erstaufnahmeeinrichtung für 1500 Flüchtlinge in Wittlich hat das Thema für den Kreis Bernkastel-Wittlich, speziell aber für die Stadt, eine ganz neue Dimension bekommen. Was ist jetzt wichtig? Schon vor Ankunft der Flüchtlinge ist eine positive Grundstimmung in der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Eine umfassende Information der Bürger ist dabei Voraussetzung. Am Dienstag kommender Woche werden Vertreter des Landes, des Kreises und der Stadt Rede und Antwort stehen. Mit einem sehr großen Andrang ist zu rechnen. Weiterhin wichtig: Die Sorgen und Ängste der Bevölkerung müssen ernst genommen werden, die Politik vor Ort muss darauf einfühlsam, aber sogleich mit klarer Haltung reagieren. Konflikte müssen offen besprochen und es muss schnell Klarheit geschaffen werden. Der Kreis und die Stadt stehen vor einer großen Aufgabe. Sie kann nur mit der Bevölkerung gemeistert werden. w.simon@volksfreund.de

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