Last-wa-gen und Brot-do-se

SEHLEM. Der Mensch ist beim Austausch von Informationen unabdingbar auf die Sprache angewiesen. Nach dem Motto "hören – lauschen – lernen" trainieren die Erzieherinnen mit ihren Schützlingen im Kindergarten Sehlem gezielt diese Fähigkeiten.

Oft genug war es in den vergangenen Jahren zu hören: Die Deutschen werden immer unfähiger, komplexe Textinhalte zu begreifen, geschweige denn, Texte selbst zu schreiben. Das Sehlemer Team um Marion Pull hat Beobachtungen gemacht, die sich mit diesen Alarmmeldungen decken. "Immer mehr sprechen die Kinder in der Comicsprache", erzählt die Leiterin des Kindergartens in Sehlem. Vorbildliches Deutsch komme in weiten Teilen des Umfeldes heutiger Kinder und Jugendlicher kaum noch vor. Konzentriert Geräusche wahrnehmen

Pull ließ sich dadurch aber nicht entmutigen, sondern sah sich mit ihren Kolleginnen das Angebot an, das bereits im Vorschulalter zum geschickteren Umgang mit Sprache beitragen kann. Fündig wurden sie beim Würzburger Sprachprogramm, das sie bereits im zweiten Jahr bei ihren Vorschulkindern anwenden. In kleinsten Übungseinheiten, die jeweils aufeinander aufbauen, lernen die Kinder zunächst wieder, genau hinzuhören. Alle werden still, lauschen in den Raum und müssen so zum Beispiel einen versteckten, leise tickenden Wecker finden. "Danach erweitert das Programm das konzentrierte Lauschen auf die direkte Umwelt der Kinder", erläutert Erzieherin Alwine Krisam. Draußen singt ein Vogel, der Wind huscht durch das trockene Blattwerk, oder ein Auto fährt vorbei: Alles Geräusche, auf die sich die Kinder gegenseitig aufmerksam machen. Erst im nächsten Schritt geht es direkt um die Sprache. Da werden einfachste Reime gebildet: Laus, Haus und Maus. Oder: Mauer, Dauer und sauer. Aus einem Korb in der Mitte schnappen sich die Kinder reihum einen Gegenstand, halten ihn hoch und benennen ihn. Danach werden die Silben des Wortes abgeklatscht, erst allein, dann alle gemeinsam. Einfache Sätze aus Subjekt, Prädikat und Objekt bilden den nächsten Schritt in der Konzeption, die mit einem Suchspiel abschließt. In kleinen Geschichten, die die Erzieherinnen vorlesen, müssen die Kinder zuvor festgelegte Wörter entdecken. Das Ganze ist eine durchdachte Vorbereitung auf den schulischen Alltag, der die Mädchen und Jungen nach den Sommerferien erwartet. Eltern und Lehrer waren an der Vorbereitung beteiligt, alle bisher eingegangenen Rückmeldungen waren positiv, berichten die Erzieherinnen. Eine Fachkraft für Französisch, die an zweieinhalb Tagen in der Woche im Kindergarten arbeitet, ergänzt das Trainings-Programm um die Sprache unserer direkten Nachbarn. Gearbeitet wird in Kleinstgruppen. Jeweils eine Handvoll Kinder sitzt im Halbkreis und hat sichtlich Spaß an dieser spielerischen, aber dennoch äußerst hilfreichen Vorübungen für die Schule. Wer nicht zuhören kann, kann auch nichts mitnehmen aus dem Unterricht. Das scheinen die Knirpse hier schon verinnerlicht zu haben. Alican nimmt ein Spielzeugauto aus dem Korb. "Last-wa-gen" klatscht er lachend ab, und die Gruppe tut es ihm nach. "Brot-do-se" betont Sophia langsam, für Daniel gibt es einen "Hand-schuh" - und immer folgt die Gruppe. Am Ende - das Ganze dauert lediglich zehn Minuten - laufen sie schnell zu ihrer Lauschkarte: Kim, Ann-Sophie und Peter wollen die ersten sein, wenn es zur Belohnung den täglichen Stempel für die erfolgreiche Teilnahme an einem Programm gibt, um das viele Gleichaltrige sie beneiden werden - spätestens im September, wenn sie zur Schule gehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort