Lebendiger Gott

Ihr sollt merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist (Josua 3,10). Wodurch merkt man, dass etwas lebendig ist? Rein medizinisch: Das Herz schlägt, das Gehirn funktioniert, und es wird geatmet. Aber ist das eigentlich wirkliche Lebendigkeit?

Und was hat das mit Gott zu tun? Merken wir, dass da ein lebendiger Gott bei uns ist? Das Volk Israel auf der Wanderung ins verheißene Land hat den lebendigen Gott dicht bei sich gehabt. Er war ihr Gott, der mit seinem Volk ging. Er führte durchs Schilfmeer, ließ Wasser in der Wüste aus Felsen hervorbrechen, versorgte mit Manna und Wachteln. Gott griff ein, wenn Feinde übermächtig wurden. Er gab stets Zeichen seiner Gegenwart, so auch durch die Tafel mit den zehn Geboten. In anderen Geschichten erscheint Gott den Propheten, sie hören seine Stimme. Gott ist ihnen so auf unvergleichliche Weise nahe. So, wie wir es eben nicht kennen. "Ich glaube nur das, was ich sehe!", sagt der Realist der heutigen Tage. Und was ist schon sichtbar in dieser Zeit? Gott jedenfalls nicht. Also wird er leicht abgetan in die Kammer, in der man heutzutage all das lagert, was mit den Fragen des Alltages nichts zu tun hat. Gott - der ist etwas für die Philosophen und Theologen, allenfalls noch für Träumer. Aber dann heißt es doch: Ihr sollt merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist. Ein lebendiger Gott. Und der Mensch soll's merken! Ganz klar: Mit Wissen hat das nichts zu tun. Gott ist nicht zu beweisen. An Gott lässt sich nur glauben in dem Sinne, dass man auf ihn vertraut. Das ist gewiss ein Wagnis. Eine Hoffnung, dass da einer ist hinter allem und über allem auch für mich. Lebendig. Am Werk. Keine Nebensache, sondern die Hauptsache! Auch nicht, dass die Welt sich dreht, und irgendwie dreht sich Gott mit. Sondern: Gott macht, dass die Welt sich dreht. Und selbst wenn der Mensch sein eigenes Ding dreht und nichts mit diesem Gott am Hut hat, so ist doch alles von Gott und durch ihn. Gott fragt nach, ob wir in seinem Sinne lebendige Menschen sind. Er kann uns dabei helfen, welche zu werden. Ulrich Müller, Evangelischer Pfarrer von Irmenach, Lötzbeuren und Raversbeuren

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