Morchelzüchter Deutschlands erster Morchelzüchter kommt aus Graach

Graach · Li Guangda kennt das Geheimnis der Morchelzucht. Deutschlands erster Erzeuger der exklusiven Speisepilze wohnt in Graach an der Mosel und hat sich ihrem Anbau mit Haut und Haaren verschrieben. Doch die Produktion der begehrten Delikatesse ist mehr als herausfordernd.

 Li Guangda auf seinem Versuchsfeld: Dort hat er in diesem Jahr erstmals Morcheln gezüchtet. In der Hand hält er einen Beutel mit einer selbst gemischten Nahrungsergänzung für die Pilze.

Li Guangda auf seinem Versuchsfeld: Dort hat er in diesem Jahr erstmals Morcheln gezüchtet. In der Hand hält er einen Beutel mit einer selbst gemischten Nahrungsergänzung für die Pilze.

Foto: TV/Verona Kerl

Wann genau ihn das Morchelfieber gepackt hat, kann Li Guangda nicht sagen. Als der Chinese an den Moselort Graach (Kreis Bernkastel-Wittlich) zieht, arbeitet er zunächst für eine Weinexportfirma. Mit Speisepilzen hat er damals nicht viel zu tun. Doch 2019 ändert sich das. Er verfällt auf die verwegene Idee, in einem Gewächshaus in Niersbach Morcheln anzubauen. Niemand hat das je zuvor in Deutschland ausprobiert. Denn die Zucht der fragilen Pilze gilt als äußerst mühevoll und problematisch, ja fast aussichtslos. Eine Annahme, über die man in China nur müde lächeln kann, denn dort ist das Kunststück bereits seit einigen Jahren gelungen. Dieses Wissen will der 45-jährige Familienvater aus der nordostchinesischen Industriestadt Shenyang, der einst zum Studium nach Deutschland kam, nutzen.

Kurzerhand lädt Guangda den chinesischen Morchelpapst Professor Jia zu sich ein. Beide machen sich ans Werk, in Deutschland das unmöglich erscheinende möglich zu machen. „In China gibt es über 30 Sorten Morcheln. In Deutschland sind aber nur 13 bis 14 bekannt“, sagt Guangda. Er selbst verlegt sich auf zwei populäre Arten: die dunkle Spitzmorchel MEL 6 (Morchella sextelata) und die Käppchenmorchel MEL 7 (Morchella exima). Anders als Kräutersaitlinge oder Austernpilze, die in Beuteln mit Substrat gezüchtet werden können, sind Morcheln anspruchsvoller. „Sie brauchen Erde. Das Substrat, das aus Weizenkleie, Kompost oder Sägemehl besteht, wird mit Morchelsporen geimpft und nach dem Wachstumsprozess von etwa 40 Tagen in die Erde gebracht. Dort wachsen sie etwa 2,5 Monate bis zur Ernte. Wenn man die passende Umgebung und die richtigen Bedingungen findet, ist es nicht so schwierig“, lächelt Guanga, der mit seiner Familie in einem alten Winzerhaus lebt.

Doch genau in diesen fragilen Faktoren liegt die Herausforderung. Die Morchel ist eine Diva unter den Speisepilzen. Sie mag vieles nicht und verzeiht daher wenig. Der Pilz, der im Frühjahr geerntet wird, braucht saubere Luft und ist empfindlich gegen Dünger und Chemikalien. „Wenn gespritzt wird, wächst er nicht“, weiß Guangda. „Biologische und alkalische Böden sind daher ideal.“ Auch beim Thema Feuchtigkeit wird es kompliziert. Bekommt der Pilz zu viel Wasser, verkümmert er. Bei zu wenig Nässe aber ebenfalls. „Fürs Wachstum liegt die ideale Temperatur bei 16 bis 18 Grad. Da die Morchel ein Winterpilz ist, macht ihr eine Temperatur von 0 Grad Celsius aber auch nichts aus.“ Regulieren lassen sich diese Einflüsse am besten im Gewächshaus unter optimalen Bedingungen. Guangdas Experiment glückt. Bereits 2019 sprießen die ersten Morcheln.

 Morchelzüchter Li Guangda zeigt, dass Morcheln (hier ein getrocknetes Exemplar) innen hohl sind.

Morchelzüchter Li Guangda zeigt, dass Morcheln (hier ein getrocknetes Exemplar) innen hohl sind.

Foto: TV/Verona Kerl

Ein Jahr später besucht ein Gastronom aus Frankfurt den Pionier in Niersbach und kauft ihm drei bis vier Kilogramm frische Morcheln ab. „Er war überzeugt von der Qualität und hat Interesse an mehr.“ Doch der 45-Jährige fühlt sich noch nicht bereit für den Markt. Er will weitere Kenntnisse und mehr Erfahrungen sammeln: „Im November 2021 habe ich zum ersten Mal Morcheln auf einem 400 Quadratmeter großen Feld ausgebracht.“ Die Gärtnerei Bach in Monzelfeld hat ihm das Stück überlassen ebenso wie einen kleinen Teil ihres modernen Gewächshauses. Er ist stolz, als sich am 10. März die ersten zarten Morchelkäppchen zeigen – die Pinheads. Doch dann, der Absturz: „Im April, als es anfing trocken zu werden, sind viele verkümmert. Ein paar haben überlebt, die haben wir selbst gegessen. Andere habe ich auf dem Feld stehen lassen. Letztendlich war es in diesem Jahr viel zu trocken“, bedauert er.

In der Natur wächst der Pilz vor allem in Auenwäldern, Wegrändern oder Böschungen. Da auf Guangdas Versuchsfeld nur wenige Bäume Schatten spenden, improvisiert er mit einem Schattengewebe, einer Art Abdeckung. Doch 2022 ist einfach kein gutes Morcheljahr, anders als 2021, als der Chinese in seinem Niersbacher Gewächshaus insgesamt 400 Kilogramm erntet, von denen er das meiste trocknet, doch: „In China bekommen die Züchter viel mehr Morcheln raus. Ich bin eben noch ein Lehrling.“ Rückschläge gehören zum Geschäft. Guangda weiß das: „Ich wollte eben wissen, wie der Anbau in der freien Natur funktioniert. Eigentlich sind die Bedingungen hier sehr gut. Es herrscht ein mildes Klima. Aber ich teste ja noch. Wirtschaftlich ist das alles bislang nicht.“

Die Morchemisere lässt in diesem Jahr die Preise in die Höhe schießen. Spitzenköche kaufen frische Morcheln ab 100 Euro aufwärts pro Kilo ein. Getrocknet ist die Delikatesse sogar erst ab 500 Euro aufwärts pro Kilo zu haben.

 Ein Teller voll getrockneter Morcheln. Die Familie Guangda isst sie am liebsten in Hühnersuppe.

Ein Teller voll getrockneter Morcheln. Die Familie Guangda isst sie am liebsten in Hühnersuppe.

Foto: TV/Verona Kerl

Morchelpionier Li Guangda, der sich 2021 als Züchter selbstständig gemacht, arbeitet fast jeden Tag an und mit seinem Produkt. Lange wird es wohl nicht mehr dauern, bis er seine Morcheln auf dem freien Markt anbietet, was ein gefundenes Fressen für alle Sterneköche in der Region wäre. Sternekoch Alexander Oos aus Trittenheim weiß: „Wenn das mit dem Anbau funktioniert, dann sind die Morcheln ruck-zuck weg.“ Er verzichtete in diesem Jahr auf den Luxus-Pilz aus einem einfachen Grund: „Sie waren wenig verfügbar und daher viel zu teuer. Wenn die Saison passt, nehme ich gerne frische Morcheln auf meine Karte. Die Stile trocknen wir selbst und benutzen diese um Morchelrahmsoße herzustellen. “

Lecker!!! Familie Guangda zieht dann aber doch die chinesische Zubereitung der deutschen vor. „In China essen wir mehr getrocknete Morcheln, sie schmecken intensiver. Wir lassen sie in Wasser einweichen, dünsten sie, oft mit Hühnerfleisch zusammen, und geben alles zusammen in die Suppe.“

Damit im nächsten Jahr seine Morcheln üppig in die Höhe schießen können, startet Li Guangda im September einen neuen Versuch. „Ich habe jetzt mehr Erfahrungen gesammelt und meinen Kollegen von der Gärtnerei Bach überzeugt, das der Anbau funktionieren kann.“ 2023 also könnte also das Jahr der Morchel werden, zumindest für Li Guangda aus Graach.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort