Luxus-Landsitz weckt Forschergeist

Fließem · Mitten in der Eifel kann es passieren, dass einem Römer über den Weg laufen. Was der Römerverein "Milites Bedenses" heute in der Ruine der Villa Ortrang nachstellt, war vom 1. bis 4. Jahrhundert Wirklichkeit nahe der Ortsgemeinde Fließem.

Fließem. Kinder in Tunika, mit Gladius und Schild in der Hand, tänzeln im sportlichen Kampf umeinander herum. Mit dem Pilum zielen sie auf einen Legionär in Rüstung, der hinter seinem Schild Deckung sucht.Doch der Kampf mit römischen Waffen ist nur ein Spiel. Gelebte Geschichte auf dem Gelände der römischen Villa Otrang. Michael Schnarrbach vom Verein Milites Bedenses (siehe Extra) vermittelt den Besuchern einen Eindruck, wie die Menschen damals lebten, zu der Zeit des Kaisers Augustus, als nahe Fließem ein prächtiger Gutshof erbaut wurde. 7000 Besucher kommen jedes Jahr hierher. Fließems Ortsbürgermeister Klaus Schnarrbach ist selbst ein begeisterter Spurensucher. Er träumt davon, auf dem Gelände einen archäologischen Park zu errichten, in dem das alltägliche Leben praktisch dargestellt wird. So wie Karl Bosse vom Römerverein den Kindern am mitgebrachten Mühlstein zeigt, wie Römer Mehl gemahlen haben.Was am Rande der Demonstrationen ins Auge fällt, sind verstreute kleine gelbe Häuser, die auf den ersten Blick einen falschen Eindruck hervorrufen könnten. Denn sie zeigen nicht etwa die ursprüngliche Gebäudeverteilung. Der spätere preußische König Friedrich Wilhelm IV. ließ sie 1838 vielmehr als Schutzhäuser über Mosaikfußböden und einer Badeanlage errichten. Sie stehen heute selbst unter Denkmalschutz. In römischer Zeit erstreckte sich hier ein zusammenhängendes Gebäude auf einer Fläche von 60 mal 60 Metern, das seine Größe in drei Bauabschnitten erhielt. 1825 hatte der Fließemer Landwirt Helarius Lyk auf seinem Acker Teile von Mosaikfußböden entdeckt, und die anschließenden Grabungen förderten zutage, was seitdem zu betrachten ist.Es muss ein reicher Römer gewesen sein, der hier, unweit der römischen Heerstraße zwischen Trier und Köln, einen Gutshof errichten ließ. 66 ebenerdige Räume wiesen Archäologen nach, von denen 14 ehemals mit Mosaikfußböden ausgestattet waren. Vier der Böden sind noch in bestem Zustand und zeichnen das Denkmal aus. Bis auf ein Mosaikband zeigt der Bodenschmuck geometrisches Dekor. Der einzige figürliche Abschnitt stellt Szenen aus der Natur dar: Ein Panther jagt eine Antilope, ein Löwe greift einen Esel an, eine Schlange verspeist einen Kranich, und unter einer Blumenranke verweilen zwei Eichhörnchen. Für den Reichtum spricht auch die Badeanlage. Von der Wellnessanlage sind noch Becken und das Heizungssystem zu erkennen. Zum Anwesen gehörte sogar ein Tempelbezirk am gegenüberliegenden Hang."Der Gutsbesitzer muss den Hof im 4. Jahrhundert besenrein verlassen haben", scherzt die Verwalterin der Villa Otrang, Christel Hedrich. Denn vom Hausrat wurde wenig gefunden: Teile von Götterstatuen, eine Weihetafel, der Pfeiler eines Tischs. Womit der Eigentümer sein Geld verdiente, liegt noch immer im Dunkeln. "Könnte es sich nicht beim Herren von Otrang um ein Mitglied des kaiserlichen Hofstaats, einen römischen Beamten oder Militärangehörigen gehandelt haben?", fragen sich die Archäologen. Seit 2009 graben sie wieder. Anlass war eine Luftbildaufnahme, die Umrisse eines weiteren Gebäudes erkennen ließ. Sie zeichneten sich im Wuchs des Getreides ab. Inzwischen sind Fundamente freigelegt, 300 Meter in westlicher Richtung entfernt vom Wohngebäude der herrschaftlichen Familie. Möglicherweise lebte hier der Verwalter, vermuten die Archäologen.Bis 2014 haben die Studenten der Universität Trier noch Zeit, Antworten zu finden. Bis dahin ist die Finanzierung der Grabung gesichert. Von August bis Oktober gehen die Grabungen in ihre nächste Phase.villa-otrang.deExtra

Römergruppe Milites Bedenses: Der Verein wurde 1995 von historisch und archäologisch Interessierten aus dem Bitburger Land gegründet. Inzwischen gehören ihm 80 Laien und Wissenschaftler aus ganz Deutschland an. Ziel ist es, das militärische und zivile Leben der Römer in den Provinzen im 1. Jahrhundert nach Christus auf Basis fundierter Forschungsergebnisse darzustellen. Die Gruppe ist weit über die Grenzen der Eifel bekannt und nimmt jedes Jahr an zahlreichen internationalen Veranstaltungen teil. sys www.milites-bedenses.deExtra

Mulsum (römischer Gewürz wein) Zutaten: 1 Liter trockener Wein 1 Glas Honig 20 Lorbeerblätter 20 zerstoßene Pfefferkörner 100 Gramm Korianderblättchen Alles zusammen kurz aufkochen, anschließend durch ein feines Sieb gießen. Heiß in eine Flasche füllen. Wenn der Gewürzwein abgekühlt ist, die Flasche verschließen. Warm oder kalt servieren. Das Rezept stammt von Frank Hedrich, der im Gastronomiebereich der Villa Otrang nach römischen Rezepten kocht. Er stützt sich in der Zubereitung auf die Vorgabe des römischen Feinschmeckers Marcus Gavius Apicius (25-42 v. Chr.). sys

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