Malerei als Medizin

Neumagen-Dhron · Kurz vor seinem wohlverdienten Ruhestand erkrankte der Bauunternehmer Walter Kaufmann schwer. Nach etlichen Operationen, unter anderem wurden ihm beide Beine amputiert, gibt das Malen dem früher engagierten Altherren-Kicker neue Kraft.

 Walter Kaufmann hat das Malen für sich entdeckt. Das Hobby kann er auch nach der Amputation beider Beine ausüben. TV-Foto: Ursula Schmieder

Walter Kaufmann hat das Malen für sich entdeckt. Das Hobby kann er auch nach der Amputation beider Beine ausüben. TV-Foto: Ursula Schmieder

Neumagen-Dhron. Mancher hätte mit sich und der Welt gehadert. Für Walter Kaufmann kam das nicht infrage. Er stellte sich seinem Schicksal, das ihn zu Beginn des Rentenalters ereilte. Nach 24 Jahren als Bauunternehmer, der bis 1997 zehn Mitarbeiter beschäftigte, musste er sich damit abfinden, dass ihm beide Beine amputiert wurden. Für ihn, der noch als Ü-60er bei den Altherren kickte, war das sehr schlimm. Doch er ließ sich nicht unterkriegen - trotz zusätzlicher Krebserkrankungen, Hirn- und Herzinfarkte.
Menschen ganz nah


Zu danken ist das seiner Familie, die ihn stets ermutigte, und einem Geschenk seiner fünf Kinder: einer Staffelei samt Leinwand und Ölfarben. "Wir haben überlegt, was ihm Freude machen könnte", erinnert sich Tochter Heidi Hofer. Für jemanden, der zeitlebens nur gearbeitet habe, sei es ja besonders schwer, plötzlich "zum Nichtstun verdonnert" zu sein. Sie wussten, dass ihr Vater schon als Zwölfjähriger malte, im Berufsleben aber nie die Zeit dafür fand. "Das war ein wunderbares Geschenk, es hat solchen Spaß gemacht. Und es war ein notwendiges Geschenk", sagt Kaufmann (82) heute.
Inzwischen hat der Neumagen-Dhroner mehr als hundert Bilder gemalt, die aber nie bei Ausstellungen zu sehen waren. Aktuell arbeitet er an einer Ansicht von London. Dort lebt ein Sohn.
Viele Gemälde hat er verschenkt. Andere, wie ein Bild vom Trierer Weihnachtsmarkt, Landschaften, die er nach Postkarten malt, oder Blumen, schmücken die Wohnung. Darunter lustige Bilder mit Zirkuskarren oder mit Tieren wie Hunden, Kätzchen im Bollerwagen oder einem Schwein, das aus einer Schubkarre Äpfel frisst. Stolz ist er auf einen Pferdekopf, ein Motiv, an das er sich anfangs kaum gewagt hätte.

Entscheidend für das künstlerische Schaffen des Maurers war der Besuch der Malschule von Rolf Hölter und Ursula Hölter-Drews in Monzelfeld-Annenberg. Bis ihm das zweite Bein amputiert wurde, fuhr er regelmäßig selbst dorthin. Während seiner vielen Reha-Aufenthalte war das Hobby für ihn eine wertvolle Medizin.
Er klagte nie über Langeweile und vermisste auch nicht andere Hobbys wie das Akkordeonspielen oder das Singen im Männergesangverein Dhron und im Steuermanns-Chor des Karnevalsvereins. Er habe zwar auch mal einen "Durchhänger", räumt Kaufmann ein: "Aber ich lass mich nicht hängen - ich geh los." Der Standardsatz des siebenfachen Großvaters nach jeder Operation ist dafür der schönste Beweis: "Hurra, wir leben noch." urs

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort