Mauerstück aus Berlin kommt nach Wittlich

Friedel Drautzburgs Dauerleihgabe an Wittlich ist geschichts trächtiger Beton. Es ist ein vom Berliner Künstler Ben Wagin bearbeitetes Original-Mauerstück. Zwischen Lieserbrücke und Parkplatz Zentrum soll es künftig als Mahnmal stehen. Als Tag der Enthüllung ist Samstag, 2. Oktober, geplant.

Wittlich. Berlin ist Hauptstadt und war einst die geteilte Stadt. Das symbolkräftigste Bild dazu ist die Mauer. Sie ist gefallen, das geteilte Deutschland Geschichte. 20 Jahre "Tag der Deutschen Einheit" werden am 3. Oktober gefeiert.

Wittlich ist Kleinstadt und kann vermutlich ab 2. Oktober jedermann auf besondere Weise auf die Geschichte der Hauptstadt und Deutschlands aufmerksam machen. Mit einem Stück der Berliner Mauer. Es ist Teil eines über Deutschland verteilten künstlerischen Mahnmal-Projekts.

Es will an Unmenschlichkeit, Unfreiheit und gleichzeitig an die Überwindung des Kalten Kriegs, der Ost-West-Gegensätze erinnern (der TV berichtete). Die Standorte des deutschlandweiten Konzepts sind unter anderem Berlin, Bonn und eben Wittlich.

Über diese drei Städte führt unter anderem auch Friedel Drautzburgs Lebensweg. Er ist der Mann, der das spektakuläre Stück Weltgeschichte von der Spree an die Lieser bringt. Bekannt wie ein bunter Hund ist er selbst nicht nur in Wittlich, wo er 1938 geboren wurde: Als "politischer Mensch" (Drautzburg über Drautzburg) machte er mit Günter Grass im VW-Bus Wahlkampftour für Willy Brandt, außerdem ist er Promiwirt der legendären Kölschkneipe "StäV" (Ständige Vertretung) in Berlin.

In Wittlich steht er beim Heimatbesuch nahe dem Platz an der Lieser vor einem Rasenstreifen. Denn in diesem Grün zwischen Lieserbrücke und Rommelsbach-Parkplatz soll "sein" Mauerstück künftig stehen.

3,60 Meter hoher Denkanstoß



Mit seiner monumentalen Größe von 3,60 Metern soll es Passanten einen Anstoß geben, über das Ungeheuerliche nachzudenken, das ehemals die Deutschen erschütterte, und über etwas, das sowieso zeitlos ist: Unmenschlichkeit, Unfreiheit.

Den Mauerbau hat Friedel Drautzburg selbst miterlebt. Als davon 1961 im Radio berichtet wurde, fuhr er sogleich als Student mit seiner Isetta nach Berlin.

Er braucht keine symbolische Erinnerung, er war dabei. Aber all die anderen? Er will mit dem Künstler Ben Wagin auch sie berühren, ihnen einen Zugang zu dieser Geschichte ermöglichen.

Persönlich kann er das hervorragend. Er ist ein kurzweiliger Erzähler, aber er kann ja nicht immer da sein, wo bald das Mahnmal stehen soll. Vergangene Woche stand er da: rote Hose, schwarzes Jackett mit Weste, Jeanshemd und Kappe, schlohweißes Haar, ein bunter Hund eben, mit politisch gebliebenem Herz. Er erzählt, dass Wittlich noch ein weiteres Mauerstück hat.

Es ist im Originalzustand, kein künstlerisch bearbeiteter Beton. Wittlichs Partnerstadt Zossen (Brandenburg) hat es nach der Wiedervereinigung der Stadt übergeben. Seither wusste wohl niemand: "Was machen wir damit?". Gesehen haben es die Wittlicher seither nicht.

Das ändert sich. Es soll laut Friedel Drautzburg nun ebenfalls auf dem Grünsteifen an der Lieser einen Platz finden. Dazu gibt es eine Tafel. "Sie soll in knappen Worten das Wesentliche dazu sagen, drei- oder viersprachig", sagt Friedel Drautzburg.

Als politischer Mensch kennt Drautzburg naturgemäß auch Zossen. Als Neonazis dort im Januar das "Haus der Demokratie" niederbrannten, erwarb Drautzburg bei einer Versteigerung zugunsten des Wiederaufbaus eine Arbeit des Fotoreporters Robert Lebeck: Es ist ein Porträt Romy Schneiders.

Willy Brandt und Günter Grass hat der berühmte Berliner auch porträtiert, das Nachkriegsberlin sowieso. Womit sich der Kreis zu Friedel Drautzburg schließt ist, wie bei so vielen Geschichten.alo/col

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