Mehr als 50 Jahre bis zum eigenen Roman

Idar-Oberstein · Mehr als 50 Jahre hat es gedauert, bis Axel Holten "sein" Buch geschrieben hat. Vor kurzem wurde der historische Roman "Viktoria" bei der Frankfurter Buchmesse vorgestellt.

 Erst als Pensionär hat Axel Holten aus Hammerstein seinen historischen Roman „Viktoria“ verwirklicht. Foto: Andreas Nitsch

Erst als Pensionär hat Axel Holten aus Hammerstein seinen historischen Roman „Viktoria“ verwirklicht. Foto: Andreas Nitsch

Idar-Oberstein. Im Kopf hatte der Wahl-Idar-Obersteiner Axel Holten, der mit seiner Ehefrau Annelore seit acht Jahren in Hammerstein wohnt, seinen Roman schon seit mehr als einem halben Jahrhundert. Kernfrage in dem 682 Seiten starken Werk ist: Was wäre, wenn Deutschland 1945 den Krieg gewonnen hätte?
Einfach irre: Die ersten Atombomben fallen nicht auf Hiroshima und Nagasaki, sondern auf Stalingrad und Chicago. Nicht die Deutschen werden verfolgt, sondern Tito und de Gaulle. Russland kapituliert im April 1945, etwas später auch Amerika - der Endsieg gelingt tatsächlich. Die alkoholabhängige Eva Hitler stirbt 1947 in einer Suchtklinik, Wernher von Braun realisiert seinen Traum von der bemannten Raumfahrt in Deutschland. Doch am Schluss des Romans - man schreibt das Jahr 1956 - deutet alles auf den Dritten Weltkrieg hin, und Adolf Hitler gibt die Regierungsgeschäfte an Heinrich Himmler ab. All dies und noch weitere zuweilen abenteuerliche Wendungen hätte die Weltgeschichte nehmen können, wenn, ja, wenn Deutschland 1945 den Krieg gewonnen hätte ...
Schon in der Lehrzeit gefragt


Was wäre, wenn ...? Diese Frage stellen sich Axel Holten und seine Kumpels schon in der Lehrzeit immer wieder. 16 oder 17 Jahre alt ist Holten damals. 1940 in Düsseldorf geboren, will er nach dem achtjährigen Besuch der Volksschule Schriftsetzer werden. Die Frage nach dem "Was wäre, wenn ...?" sollte ihn nicht mehr loslassen. Immer wieder hat er neue Ideen, überraschende Entwicklungen parat. Ungeahnte Dialoge zwischen den Weltherrschern kommen ihm in den Sinn, beinahe fantastische Allianzen schmiedet er in Gedanken. All dies notiert Holten auf Zetteln, die er sammelt, die er hütet wie seinen Augapfel. Irgendwann will er daraus ein Buch machen - irgendwann, wenn er Zeit hat. Doch eigentlich ist ihm stets der Beruf im Weg. Die Lehre zum Schriftsetzer ist ihm schnell zu wenig, er wird für fünf Jahre Zeitsoldat. Dann geht\'s zurück in den Beruf. Nach mehreren Lehrgängen wird er Maschinensetzer, schließlich Korrektor.
Zwischenzeitlich lernt er beim Bund seine Frau in Osnabrück kennen. Sie nimmt die Erzählungen von "seinem Buch" nicht so ernst. Das Paar heiratet 1964, sechs Jahre später ziehen die Holtens nach Frankfurt. Annelore macht sich selbstständig, betreibt 15 Jahre einen Imbiss. Ihr Mann geht als kaufmännischer Angestellter zur "Frankfurter Rundschau".

Neutralität ein Anliegen


Anfang der 1990er Jahre will sich das Paar ein Eigenheim zulegen. Ein Haus an der Mosel hat es ihnen angetan. Doch als das Grundstück binnen kurzer Zeit dreimal von Hochwasser heimgesucht wird, winken Axel und Annelore Holten ab. Auf dem Rückweg von der Mosel nach Frankfurt machen sie in der Schmuckstadt Station. Mehr aus Jux kauft sich das Paar die Nahe-Zeitung, entdeckt ihr jetziges Haus in Hammerstein. 1992 wird das Domizil gekauft. 2003 - mit Holtens Pensionierung - erfolgt der Komplett-umzug in den Idar-Obersteiner Stadtteil. Und nun hat Axel Holten endlich auch Zeit.
Als wären die Hobbys Kendo, Fallschirmspringen, Drachenflug, Taekwondo und Gleitschirmfliegen nicht genug, beschließt der Pensionär, sein Buch umzusetzen. Mit der Hand schreibt er all seine Aufzeichnungen ins Reine. Er recherchiert akribisch. "Dabei musste ich immer aufpassen, dass ich nicht Gefahr laufe, der falschen Seite zugeordnet oder sogar als nazifreundlich bezeichnet zu werden", sagt der Autor. Neutralität sei stets sein oberstes Anliegen gewesen. Holten entdeckt die Vorzüge des Computers, macht bei der Volkshochschule einen Kurs. Schließlich ist dort alles eingetippt. Mehr als zwei Jahre benötigt er dafür. Zeit für seine Ehefrau bleibt kaum. "Ich war manchmal ganz schön stinkig", erzählt Annelore Holten. "Doch heute bin ich stolz auf ihn", fügt sie hinzu. Zu Recht.
Schnell war ein Verlag gefunden, der bereit war, Holtens Werk zu veröffentlichen. Mittlerweile ist es in jeder Buchhandlung oder im Internet erhältlich.

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