Mehr als eine Jubiläumsschau

Wittlich · Stadt und Stiftung besitzen viele Werke Georg Meistermanns, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Die Kunsthistorikerin Caroline Theresia Real hat eine Jubiläumsschau konzipiert, die ab 2. Oktober im Alten Rathaus zu sehen sein wird. Anschließend wird es eine neue Dauerpräsentation von Meistermann-Arbeiten geben, die Real im Rahmen ihres Werksvertrags ebenfalls vorbereitet.

Einladend: Caroline Theresia Real und Elke Scheid, Stadtverwaltung, in den Ausstellungsräumen des Alten Rathauses in Wittlich. TV-Foto: Klaus Kimmling

Einladend: Caroline Theresia Real und Elke Scheid, Stadtverwaltung, in den Ausstellungsräumen des Alten Rathauses in Wittlich. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Für Publikum geschlossen ist derzeit das Alte Rathaus. Das liegt nicht an einer Sommerpause, sondern daran, dass eine Jubiläumsausstellung, die Georg Meistermann (1911 bis 1990) gewidmet ist, vorbereitet wird. "Meisterhafte Werkprozesse" wird sie heißen.
Der Titel verdeutlicht, dass den Besucher nicht einfach "Bilder an der Wand" erwarten, sondern der Blick erweitert werden soll, zum Beispiel auf kunstgeschichtliche Hintergründe.
Brückenschlag zur Markuskirche


So hat etwa jeder, der jemals im Alten Rathaus war, im Treppenhaus die vier Glasfenster mit den apokalyptischen Reitern von 1954 gesehen. Doch es gilt: Man sieht mehr, wenn man mehr weiß. Dort setzt die Kunsthistorikerin Caroline Theresia Real an. Sie will informative Brücken für den Betrachter bauen. Zum Thema Apokalypse erklären daher künftig große Tafeln: Worum geht es dabei? Immerhin ist nicht jeder bibelfest. Dazu zeigen Abbildungen beispielhaft, wie andere Künstler in anderen Epochen das Thema gestaltet haben.
Kurzum: Die Erläuterungen helfen, Meistermanns Arbeit einzuordnen, besser zu verstehen, mehr zu sehen.
"Die vier Fenster sind sehr hochwertig und wunderschön", sagt die Ausstellungsmacherin, die nicht nur diese zentralen Arbeiten durch Zusatzinformationen zugänglich machen will: "Bislang war es ja so: Entweder man wusste schon etwas, oder man hat Pech gehabt."
Ein Leitsystem nimmt den künftigen Besucher zusagen an die Hand, so dass er sich die gezeigten Werke auch alleine erschließen kann. Dabei ist die Auswahl für die Jubiläums- und anschließende Dauerschau hauptsächlich auf Arbeiten aus dem Besitz der Stiftung Stadt Wittlich beschränkt. Briefe und andere Schriften Georg Meistermanns etwa, die sich im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg befinden und die dessen Generaldirektor als Leihgabe nach Wittlich geben wollte, können nun doch nicht gezeigt werden. "Der Nachlassverwalter hat verweigert, dass das nach Wittlich geht", sagt Real. Zum Jubiläum setzt sie trotzdem nur zum Teil auf alte Bekannte wie die "Klavierspielerinnen", "Zwei Kreise-Doppelpunkt" oder den "Schwebenden Punkt", die den biografischen Einstieg in die Schau im Erdgeschoss ergänzen.
Dann folgen Schwerpunkte zu Themen wie Landschaft, Porträt oder aber der Blick auf Arbeitsprozesse vom Karton zum Fenster mit Objekten, die die Technik der Glaskunst zeigen und einem "Märchenraum", der Meistermanns Gestaltung des Buchs "Alinda und die Puppe" zeigt. Leihgaben aus Solingen und Spanien ergänzen die Exponate aus Wittlicher Besitz.
Insgesamt sollen 60 Objekte zu sehen sein, unter anderem erstmals Kartons, die jahrelang im Keller lagerten. Diese großformatigen Vorentwürfe etwa für die Fenster in der St. Markuskirche mussten zum Teil umfangreich restauriert werden und beeindrucken durch ihre nun wieder frischen Farben. Wichtig bei der Auswahl waren neben einer gewissen Qualität und ausstellbaren Größe der inhaltliche Bezug zur Stadt Wittlich.
35 000 Euro hat die Stiftung in diese notwendigen Arbeiten laut Ulrich Jacoby, Pressesprecher der Stadtverwaltung, investiert. Als Ausstellungskosten nennt er 40 000 Euro, wobei vom flexiblen Beschriftungssystem auch für künftige Schauen profitiert wird. Außerdem ermöglicht die professionelle Rahmung einer Glasarbeit deren spätere Installation an der Georg-Meistermann-Grundschule.
Genutzt wird erstmals auch die Tatsache, dass in der benachbarten St. Markuskirche ebenfalls Meistermann-Glasfenster zu sehen sind. Bislang gab es im Alten Rathaus für ortsunkundige Besucher keinen Hinweis auf die Arbeiten "um die Ecke". Jetzt schlagen die sehenswerten Entwürfe der Kartons - etwa die Szene der Heiligen drei Könige - den Bilder-Bogen zu den daraus entstandenen Kirchenfenstern. Und auch in St. Markus wird ein Exponat auf die Schau im Alten Rathaus zurückverweisen.
Dort betritt man künftig übrigens einen "entrümpelten" Eingangsbereich. Weitere Auffälligkeit auf den ersten Blick: Manche Räume präsentieren sich in tiefem "Ausstellungsrot". Geändert werden konnte bislang noch nichts hin zu einer professionellen Beleuchtung: "Da muss ein Gesamtkonzept her. Jetzt wäre alles übereilt und zu teuer", sagt Caroline Theresia Real. Was ansonsten in den altbekannten Räumen mit teils altbekannter Kunst möglich ist, kann ab Sonntag, 2. Oktober, besichtigt werden. Laut Stadtverwaltung wird es keinen Katalog geben. Grund ist das dafür notwendige Abstimmungsverfahren wegen der Bildrechte.Meinung

Es gibt noch Überraschungen
Leider ist das Thema Meistermann in Wittlich kein unbelastetes mehr. Von dem Verhältnis zwischen Stadt und Künstler sind zu dessen Lebzeiten Zerwürfnisse allerdings nicht bekannt. Er hat hier Aufträge erhalten, viele seiner Werke sind im Besitz der Stiftung. Für Außenstehende ist unverständlich, warum Wittlich für die Jubiläumsschau keine Unterstützung vom Nachlassverwalter bekommt. Das ist vom Urhebergesetz gedeckt und das gute Recht des ehemaligen Kulturamtsleiters der Stadt. Der ist Stiefenkel des Künstlers, Nachlassverwalter - und auf die Stadt nicht gut zu sprechen. Die Schau ist ein Beispiel dafür, dass es nicht immer primär um die Kunstwerke selbst geht. Trotz des Gegenwinds ist es gelungen, noch etwas Überraschendes, für Wittlich Neues zu zeigen, den Blick zu öffnen. Ein Besuch lohnt sich. s.suennen@volksfreund.deUrheberrechte und Meistermann: Künstler als Urheber eines Werkes haben das Recht zu entscheiden, ob und auf welche Art ihre Werke veröffentlicht werden (in Ausstellungen, der Presse, im Internet). Das ändert sich auch nicht, wenn ein Bild verkauft wird: Immer braucht man die Zustimmung des Künstlers. Dieses Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers. Es wird bei Georg Meistermann vom Nachlassverwalter Justinus Maria Calleen ausgeübt und von der Verwertungsgesellschaft (VG) Bild-Kunst in seinem Sinne vertreten. Die Verwertungsgesellschaft und der Nachlassverwalter haben für die Wittlicher Ausstellung unter anderem bestimmt, dass keine Titelbilder in Presseveröffentlichungen erlaubt sind. Ein Copyrightvermerk sei stets anzugeben. Deshalb zeigt der TV das Foto mit der Ausstellungsmacherin und keine Arbeit des Künstlers. sos

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