Mehs schreibt Hitlers fiktives Testament

Wittlich · Was passierte in Wittlich während der Zeit des Nationalsozialismus? Die Tagebücher von Altbürgermeister Matthias Joseph Mehs legen ein erschütterndes Zeugnis ab über die Zeit zwischen 1929 und 1945. Im Rahmen der Ausstellung "MeisterhafteWerkprozesse - Georg Meistermann zum 100. Jubiläum" las Schauspieler Manuel Klein einige Passagen.

 Der aus Wittlich stammende Schauspieler Manuel Klein liest am Mittwochabend im alten Wittlicher Rathaus eindrucksvoll aus den Tagebüchern von Altbürgermeister Matthias Joseph Mehs. TV-Foto: Holger Teusch

Der aus Wittlich stammende Schauspieler Manuel Klein liest am Mittwochabend im alten Wittlicher Rathaus eindrucksvoll aus den Tagebüchern von Altbürgermeister Matthias Joseph Mehs. TV-Foto: Holger Teusch

Wittlich. Eine fast schon idyllisch anmutende Szene hatten Mehs Enkelin Franziska Wein und der Beigeordnete Albert Klein für den Start in die Lesung aus den Tagebüchern des Wittlicher Ehrenbürgers ausgewählt: Matthias Joseph Mehs betrachtet an einem Flugtag seine Heimatstadt von oben, bewundert die gewachsene Struktur.
Es ist ein sanfter Einstieg für die rund 100 Zuhörer im voll besetzten großen Sitzungssaal des Alten Rathauses. Die Passagen, die der aus Wittlich stammende Schauspieler Manuel Klein anschließend eindrucksvoll liest, sind oft erschütternd.
Die aus der Mehs\'schen Vogelperspektive heile Welt ist weniger als drei Jahre später zerstört. Am 8. März 1933 werden in Wittlich Hakenkreuzfahnen gehisst. "Man schaltet jetzt Politik für eine Weile am besten ganz aus", notiert Mehs. Unpolitisch wird er allerdings nicht. Die bekannte List, mit der er im Stadtrat die Ernennung Adolf Hitlers zum Ehrenbürger verhindert, durfte in der Auswahl der Tagebuch-Ausschnitte nicht fehlen. Mehs\' Jahresbilanz an Silvester 1933 ist trotz dieses Erfolges ernüchternd: "Die Nazis setzten sich restlos durch" - auch in Wittlich. Die Zerstörung der Synagoge am 9. November 1938 entlarvt Mehs als eine "spontane Volkskundgebung, von oben angeordnet". Schon vorher fragt er sich, wie viel Angst hinter der vermeintlich großen Zustimmung in der Bevölkerung für die Nationalsozialisten steckt.
Ironisch die Unfähigkeit der Nazis entlarvend sind einige von Mehs\' Tagebucheinträgen während und vor dem Zweiten Weltkrieg. Sie gipfeln im imaginären Testament Hitlers in Mehs\' Eintrag vom 18. Mai 1945: "Nur durch Schaden kann dieses Volk klug werden. Ich (Anmerkung: gemeint ist Hitler) werde die Niederlage nicht überleben, aber das deutsche Volk wird es überleben", legt Mehs dem Despoten in den Mund. Nur zehn Tage nach der Kapitulation der Wehrmacht zeigt er damit die Hoffnung, dass nach den dunklen zwölf Jahren eine bessere Zeit - auch für Wittlich - folgt.
Matthias Joseph Mehs (1893 bis 1976) (genannt "Mehse Matti") hat 1933 als Fraktionsvorsitzender der Zentrumspartei im Stadtrat durch Hinhaltetaktik verhindert, dass Adolf Hitler Ehrenbürger von Wittlich wurde. Als der Antrag auf Verleihung der Ehrenbürgerschaft in der Stadtverordnetenversammlung von der NSDAP gestellt wurde, schlug Mehs die Einsetzung eines Ausschusses vor, der die Verdienste Hitlers für die Stadt untersuchen sollte. Da die in den neuen Ausschuss gewählten Mitglieder der NSDAP den Sitzungen fernblieben, kam es zu keinem Vorschlag an die Stadtverordnetenversammlung. So wurde der Antrag, den Führer und Reichskanzler zum Ehrenbürger zu ernennen, nie abschließend behandelt.

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