Mein erster Schultag - TV-Leser erzählen ihre Geschichten

Wir haben Leser aufgefordert, uns Anekdoten und Erinnerungen an ihren ersten Schultag mitzuteilen. Und das haben sie getan: Mein erster Schultag war im Herbst 1939. Dieser Tag ist mir ein Leben lang in Erinnerung geblieben.

Mein erster Schultag - TV-Leser erzählen ihre Geschichten
Foto: (m_kreis )

Als Geschenk zur Einschulung hatte ich mir eine dunkelblaue Stellmacherschürze, wie mein Vater sie beruflich trug, gewünscht. Der Wunsch wurde mir erfüllt, und ich zog sie sofort nach der Schule an. Zu dieser Zeit wurde in der Nähe des Dorfs ein befestigter Weg angelegt, wobei auch eine Dampfwalze im Einsatz war. Die Dampfwalze war für mich und meine Schulkameraden etwas Besonderes, etwas ganz Neues. Wir Jungen waren jeden Tag dort.
Dann kam der erste Schultag. Was die Lehrerin uns erzählte, hat mich überhaupt nicht interessiert. Meine Gedanken waren nur bei der Dampfwalze, besonders, weil der Fahrer uns versprochen hatte, dass wir nachmittags mitfahren dürften, wenn wir unsere Gesichter mit Ruß schwarz machen würden. Kein Problem. Es war ein Erlebnis für einen sechsjährigen Jungen, auf einer Dampfwalze mitzufahren. Aber da passierte es. Die Dampfwalze kam vom Weg ab und fuhr in einen Zaun. Ich wollte helfen und versuchte, einen uralten Pfosten auszureißen. Dabei drang mir ein Nagel durch die Oberlippe in den Mund. Mit blutverschmiertem, schwarzem Gesicht kam ich nach Hause. Auch meine Stellmacherschürze war voller Blut. Ich muss schlimm ausgesehen haben, wie meine Mutter erzählte. Eine kleine Narbe, die später mit einem Schnurrbart überdeckt wurde, hat mich immer an meinen ersten Schultag erinnert.
Josef Konrad, Minderlittgen, 84 Jahre, Volksschule Minderlittgen
Mein erster Schultag war im Sommer 1943 in meiner Geburtsstadt Glatz in Niederschlesien (jetzt Klodzko). Ich werde demnächst 80, kann mich aber noch gut an diesen Tag erinnern. Meine Mutter hatte mir zu diesem Anlass eine große Brezel gebacken.
Zur Schule musste ich jeden Tag von meinem Elternhaus in die Stadt drei Kilometer hin und drei Kilometer zurücklaufen. An die ersten Tage muss ich oft denken: Auf dem Schulhof hatte ein Schüler mit mir Streit angefangen. Zur Strafe musste ich eine Stunde lang an der Tafel mit hochgehobenem Arm stehen. Auch weiß ich noch, dass auf dem Schuldach ein Storchennest war. Das anliegende Foto hatte meine Mutter an meinen Vater an die Front nach Russland geschickt. Es kam zurück mit der traurigen Nachricht: "Empfänger vermisst".
Hans-Ulrich Praus,
Bernkastel-Wehlen

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