Memoiren vom Erfinder der Säubrennerkirmes

Wittlich · 120 Interessierte Bürger waren in die Synagoge gekommen, um bei der Vorstellung der beiden Bücher mit den Tagebucheinträgen von Matthias Joseph Mehs dabei zu sein. Matthias Joseph Mehs stammte aus Wittlich und war ein akademisch geschulter Gastwirt, der auch überregional politisch aktiv war.

 Interessiert schauen sich Christel Krötz und Mechtild Hebner das gedruckte Tagebuch von Matthias Joseph Mehs an. TV-Foto: Christina Bents

Interessiert schauen sich Christel Krötz und Mechtild Hebner das gedruckte Tagebuch von Matthias Joseph Mehs an. TV-Foto: Christina Bents

Wittlich. "Mehse Matti" - für viele Wittlicher war er eine wichtige Persönlichkeit des öffentlichen Lebens der Stadt. Er gilt als Erfinder der Säubrennerkirmes, war Bürgermeister und ist Ehrenbürger. Er hat den nachfolgenden Generationen aber noch mehr hinterlassen als die Säubrennerkirmes und Kunstwerke, für deren Anschaffung er sich einsetzte: Ein politisches Tagebuch, das er fast täglich vom November 1929 bis zum September 1946 führte. Seine Familie hat nun nach vielen Jahren die Bücher veröffentlicht.
Franziska Wein, Enkelin von Matthias Joseph Mehs: "Es ist ein jahrzehntelanges Projekt unserer Familie, und wir sind jetzt froh, dass das Tagebuch veröffentlicht ist." 17 Kladden hat Mehs den Nachkommen hinterlassen. Daraus sind zwei Bände mit 1304 gedruckten Seiten geworden. Darin beschreibt er an jedem Tag, wie er die Diktatur der Nationalsozialisten erlebt hat. Beispielsweise schreibt er am 10. Februar 1933: "Ich hörte Hitler am Radio. Er sprach in Berlin im Sportpalast. Hitler ist ein vitaler Redner. Ich verstehe jetzt, dass ihm die Massen und die Dummen nachlaufen. Er hat ein gewaltiges Organ. Brüllt wie ein Stier. Ein reiner Triebmensch, der sich nicht zügeln kann." Daneben schreibt er in seinen Eintragungen über Alltägliches wie das Wetter, fahrende Händler oder Anekdoten über seine Kinder.
In den Tagebüchern nennt er Personen auch mit Namen, die von Günter Wein, seinem Schwiegersohn, in einem Personenregister mit Erklärungen aufgeführt sind. Allerdings sind laut Felix Posnien, der seine Examensarbeit über die Tagebücher geschrieben hat, keine Personen negativ wertend beschrieben. Der Wissenschaftler hat auch das Verhältnis von Mehs zum Nazi-Regime untersucht und trug seine Ergebnisse den Zuhörern vor. Danach habe Mehs Abstand zum System gehalten hat. Zu Anfang weigerte er sich die Hakenkreuzfahnen aufzuhängen und setzte sich im Stadtrat gegen die Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers ein.
Ab 1933 musste er durch das Nazi-Regime ab 1933 Einschränkungen hinnehmen, beispielsweise hatten die Nazis zu einem Boykott gegen sein Lokal aufgerufen, und er hat erfahren, dass er nur knapp einer Inhaftierung in ein KZ entkommen ist.
Einige Auszüge aus den Tagebüchern sind schon veröffentlicht. So hängt sein Eintrag zur Reichsprogromnacht in der Synagoge. Unter den 120 Besuchern waren viele Wittlicher, einige Zeitzeugen und Personen, die Matthias Joseph Mehs noch persönlich gekannt und in seinem Gasthaus verkehrt haben.
Matthias Joseph Mehs. Tagebücher, November 1929 bis September 1946, herausgegeben von Günter Wein und Franziska Wein, Trier 2011, erschienen im Kliomedia Verlag Trier, 2 Bände 1304 Seiten, 138 Euro
Matthias Joseph Mehs lebte von 1893 bis 1976. Von 1929 bis 1933 war er Stadtverordneter in Wittlich und Vorsitzender der Zentrumsfraktion. Nach 1945 gründete er die CDU in Wittlich. Von 1946-1953 war er Bürgermeister und von 1949-1953 Abgeordneter im ersten Deutschen Bundestag. Er studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Geschichte, konnte aus finanziellen Gründen aber sein Studium nicht beenden und übernahm die Gastwirtschaft seiner Eltern. Er gilt als Erfinder der Säubrennerkirmes und ist der erste Ehrenbürger der Stadt Wittlich. chb

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