"Mir graust vor dem Herbst"

TRABEN-TRARBACH. Die Weinlese steht vor der Tür. Die Winzer rüsten sich für diese arbeitsintensivste Zeit im Jahr. Viele sind auf Lesehelfer angewiesen, um die Trauben zeitig einzuholen. Polnische Saisonarbeitskräfte sind wegen ihres Fleißes beliebt. Doch ihre Zahl nimmt ab, weil es hohe bürokratische Hürden gibt und die Bundesregierung deutsche Arbeitslose bei der Weinlese unterbringen will.

Kurt Peifer graust es vor dem Herbst. Peifer ist Betriebsleiter der zum Langguth-Konzern gehörenden Güterverwaltung Stiftsweingüter in Traben-Trarbach. 20 Leute braucht er spätestens in drei Wochen, um die zwölf Hektar Weinberge ernten zu können. Für zehn polnische Arbeitskräfte hat Peifer bereits die Zusage vom Arbeitsamt Trier. "Die kommen und sind fleißig", weiß Peifer aus Erfahrung. Die restlichen zehn Männer und Frauen sind deutsche Arbeitslose, die ihm das Arbeitsamt vermittelt. Mindestens 20 Prozent (bei kleinen Betrieben gilt die Härtefallregelung zehn Prozent) der Saisonarbeitskräfte in Weinbau und Landwirtschaft müssen laut "Eckpunkteregelung" der Bundesregierung inländische Arbeitslose sein. Doch Peifer braucht mehr Deutsche, weil er nur für zehn polnische Helfer Übernachtungsmöglichkeiten hat. Das Arbeitsamt Trier hat inzwischen dem Traben-Trarbacher Weingut zwei deutsche Arbeitslose gemeldet, Zusagen für die weiteren acht beantragten Leserinnen und Leser sollen folgen. Peifer macht sich aber keine Illusionen über deren Zuverlässigkeit. Peifer: "Ich weiß ziemlich sicher, dass nur zwei, vielleicht drei zur Arbeit kommen werden. Und auch die werden es nicht lange aushalten." Bereits vor einigen Jahren hat er schlechte Erfahrungen mit deutschen Arbeitslosen gemacht. Peifer: "Wir hatten 20 deutsche Arbeitslose angefordert, drei sind erschienen, am zweiten Tag waren es noch zwei, am nächsten Tag blieb noch eine Frau übrig. Und die hat mir Vorwürfe gemacht, weil sie bei der Lese helfen müsse. Sonst habe sie immer schwarz in der Küche eines Restaurants geholfen." Ein weiteres Ärgernis für viele Betriebe ist die neue Regelung, wonach für die polnischen Arbeitskräfte 48 Prozent der Lohnsumme an Abgaben, unter anderem für die Sozialversicherung, direkt an eine polnische Stelle überwiesen werden muss. Die gilt allerdings nicht für Rentner, Hausfrauen, Schüler und Studenten. Viele kleinere Weingüter haben inzwischen die Anzahl ihrer polnischen Helferinnen und Helfer reduziert, sei es, weil der bürokratische Aufwand immer größer wird, sei es, weil sie hohe Abgaben zahlen müssen. Und übernimmt der polnische Helfer die Hälfte der Sozialbgaben, lohnt es sich für ihn bei einem Stundenlohn von fünf bis sechs Euro nicht mehr, zur Lese zu kommen. In vielen Betrieben herrscht auch nach wie vor große Unsicherheit, wie die Sozialversicherungspflicht des polnischen Arbeitnehmers geregelt ist. In manchen Fällen gilt deutsches, in anderen Fällen polnisches Recht. Das Verfahren ist in jedem Fall höchst kompliziert. Gerd Haussmann aus Traben-Trarbach wird diesen Herbst nur noch einen Polen beschäftigen. In früheren Jahren waren es mehr. Sie halfen nicht nur bei der Lese, sondern auch beim Rebschnitt im Winter und Frühjahr und bei den Laubarbeiten im Sommer. Die meisten Helfer sind Verwandte und Bekannte, außerdem kommen einige Weinkunden zur Lese nach Traben-Trarbach. Auch Winzer Jörg Trossen aus Traben-Trarbach setzt auf einheimische Helfer, die meisten sind Familienangehörige. Ein Pole kommt schon seit zehn Jahren zu Trossens. Er erhält 5,50 Euro/Stunde und hat Kost und Logis frei. "Er gehört zur Familie", sagt Trossen. Der Kreiswinzervorsitzende Hubertus Klein aus Kröv berichtet, dass vor allem die großen Weingüter unter den Regelungen des deutschen Gesetzgebers und der Behörden leiden. Klein: "Die deutschen Arbeitslosen kann man, was ihr Einsatz angeht, leider mit wenigen Ausnahmen abhaken."

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