Mit der Staustufe kam die Liebe

KESTEN. Die Romanze von Waltraud und Pierre Bolle begann vor 40 Jahren - sie ist so alt wie die Wintricher Staustufe. Die Kanalisierung der Mosel und ihre Freigabe für die Großschifffahrt hat drei Länder vereint; ein kleines privates Stück dieser Gemeinsamkeit lebt das deutsch-französische Ehepaar Bolle bis heute.

Die Mosel habe sie zusammengeführt, erzählen Waltraud und Pierre Bolle lachend und schauen sich dabei verliebt in die Augen - und das nicht nur fürs Foto. Mit dem Bau der Staustufe fing die deutsch-französische Liebesgeschichte an. Damals waren am Bau deutsche und französische Firmen beteiligt, und Bolle war damals Chef einer Arbeiterkolonne. Er kam aus dem Süden Frankreichs mit dem Zug nach Wengerohr, stand mutterseelenallein mit einem kleinen braunen Koffer auf dem Bahnhof und wusste nicht wohin. Den Koffer hält das Ehepaar bis heute als besonderes Souvenir in Ehren. Auf einem Schild las er "Essen und Schlafen", das war die einzigen Worte, die er entziffern konnte. So kam Bolle in einem Gasthaus für die Nacht unter.Oma Winkler - "eine sehr gentile Frau"

Am nächsten Morgen brachte ihn der Sohn des Hauses auf seine Baustelle, wo er selbst die Kantine betrieb. Wenig später lernte Bolle durch einen Kollegen "Oma Winkler" in Kesten kennen, wo er neben dem bekannten Schwalbenhaus ein Zimmer fand. "Für 50 Mark monatlich, inklusive Bett, bügeln, saubermachen und Löcher stopfen", erinnert sich Waltraud Bolle. "Eine sehr gentile Frau, wie eine Mutter zu mir", ergänzt ihr Mann. Kennen gelernt haben sich Waltraud und Pierre im Großelternhaus von Waltraud Bolle, denn dort aß der Franzose jeden Tag bei Eliane Ronteau, die dort mit Familie zur Miete wohnte. Denn immer nur Würstchen und Erbsensuppe in der Kantine schmeckten dem "Gourmet" auf Dauer nicht. Und dann ist es passiert: Er begegnete Waltraud, und es war um den jungen Franzosen geschehen. "Am Anfang haben wir uns tief in die Augen geschaut - und ab dann ins Wörterbuch", erzählen die beiden. Denn keiner war des anderen Sprache mächtig. Doch ihre Romanze hatte hohe Hürden zu überwinden. "Für meine Familie hatte Pierre zwei gravierende Fehler: Er war Protestant und dazu Franzose", sagt Waltraud. Die Eltern waren mit der Romanze ihrer Tochter nicht einverstanden, verboten ihrem Freund sogar das Haus. Doch Ende gut, alles gut - die Mutter bestellte das Brautkleid in hellblau, und die Hochzeit wurde gefeiert. "Da gab es sogar Schildkrötensuppe", wie Pierre Bolle bemerkt.Von der Mosel nach Südfrankreich

Die Hochzeitsreise ging nach Frankreich. Und bei ihrer Schwiegermutter, wo sie anfangs lebten, lernte die junge deutsche Ehefrau die französische Sprache ganz schnell. "Sie redete ununterbrochen, das war für mich die beste Übung", erinnert sich die Moselanerin. Aber die Liebe brauchte nicht viel Worte. "Wir lebten schon damals ein vereintes Europa im Kleinen", sagt das Ehepaar. Seit 1984 wohnt die Familie in Gensac/Garonne in Südfrankreich in einem alten renovierten Landhaus. Mittlerweile sind sie Großeltern von acht Enkelkindern. Und an die Mosel, dort wo sie sich vor 40 Jahren kennen gelernt hatten, kommen sie noch regelmäßig und besuchen Waltrauds Schwester Heidi, die im Haus der Großeltern lebt. Dort, wo der Südfranzose Pierre seiner Waltraud zum ersten Mal in die Augen sah…

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