Mit einer Stimme für die kleinsten Wittlicher

WITTLICH. Gegen die Argumentation der Verwaltung, es bestehe "keinerlei Spielraum im Bereich der freiwilligen Leistungen mehr", entschieden Ausschuss und Stadtrat Wittlich, die Leiterinnen der Kindertagesstätten in Bombogen, Lüxem und Neuerburg ein weiteres Jahr für Leitungsaufgaben von der Gruppenarbeit freizustellen.

Wer Chef etwa eines 50 bis 100-köpfigen Unternehmens ist, muss Zeit für seine Führungsaufgaben haben, um Qualität zu sichern und die Firma zukunftsfähig zu erhalten. In diesem Sinne hatte der Stadtrat im Oktober 2002 den im Kreis und Land einmaligen Beschluss gefasst, diese wichtige Führungsaufgabe auch den Leiterinnen der Kindertagesstätten in Lüxem, Bombogen und Neuerburg zu ermöglichen. Die Stadt trug die Kosten von rund 36 000 Euro für diese Freistellung zu 100 Prozent. Argumente bleiben für Ausschuss wichtig

Im Sinne des Sparkurses hatte die Verwaltung jetzt angeregt, diese freiwillige Leistung wieder zu streichen. Darüber beriet zunächst der Ausschuss für Soziales, Jugend und Sport, dessen Sprecherin Anette Jondral, SDP, dann dem Stadtrat den neuen Beschlussvorschlag präsentierte: "Wir sind dafür, dass das bleibt." Sie erklärt auf TV -Nachfrage: "Entgegen des Ermessens des Kreises entschieden wir uns schon vor einem Jahr nach dem Controlling-Instrument, welches in den Kindertagesstätten unter kirchlicher Trägerschaft Anwendung findet, für eine anteilmäßige Freistellung der Leiterinnen. Auch der Landesrechnungshof empfiehlt, sich am Controlling-Instrument zu orientieren. In Zeiten der Einsparung in den freiwilligen sozialen Leistungen ein wichtiges Thema, das der genauen Prüfung bedarf. Doch warum sollten wir die vor einem Jahr genannten Argumente nicht mehr als wichtig erachten?" Anette Jondral weiter zur Entscheidung des Ausschusses, dem der Rat einstimmig zustimmte: " Auch gilt es, zu Entscheidungen langfristig zu stehen und gerade im sensiblen Bereich im Umgang mit Kindern verantwortungsvoll für Jahrzehnte zu entscheiden. Wenn der Familienstandort Wittlich zu sichern ist, dann durch eine Politik, die sich um die Lebenslage von jungen Kindern kümmert, damit zukünftig Familien gegründet, Entscheidungen für und nicht gegen Kinder fallen und die Kinder auf die Zukunft vorbereitet werden. Dazu gehört als weicher Standortfaktor die Unterstützung der pädagogischen Arbeit der Kindertagesstätten." Um sich vor Ort über die vielfältigen Aufgaben schlau zu machen, war Anette Jondral zur Vorbereitung der Ausschusssitzung bei Erni Schaaf-Peitz, Leiterin in der Kita Neuerburg. Erni Schaaf-Peitz sagt zur Entscheidung des Stadtrates: "Das ist hinsichtlich Pisa und allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Priorität frühkindlichen Lernens - der Anfang ist wichtig - ein entschiedener Schritt in die richtige Richtung, der sich allerdings in Wittlich auch schon während der letzten Jahre überzeugend abzeichnete." Zu den Aufgaben, die eine Leiterin zu bewältigen hat, zählt Erni Schaaf-Peitz: "Eine zentrale Schlüsselrolle hat die Leitung in der Konzeptionsentwicklung, Qualitätsentwicklung, -weiterentwicklung und -sicherung. Dies erfordert Qualifikation und Freistellungsressourcen. Nur so ist es möglich, eine Kindertagesstätte mit altersübergreifender Tagesbetreuung, orientiert an den Bedürfnissen vor Ort, mit Bildungs- und Erziehungsauftrag angemessen zu führen." Aufgabenkatalog wie bei einer Firma

Ihre "Schlagworte" zum Aufgabenfeld lesen sich wie ein Katalog, den zum Teil auch moderne Unternehmen leisten müssen: Qualitätsmanagement, Personalentwicklung, Teamentwicklung- und -begleitung, Fachberatung, Koordination der pädagogischen Arbeit, Konzeptionsentwicklung, Erwachsenenbildung- und -beratung, Haushaltsführung, Budgetierung, Öffentlichkeitsarbeit, Koordination der Zusammenarbeit mit den örtlichen Trägern, Schulen, Beratungsstellen und anderen Institutionen, Öffnung zum Gemeinwesen (etwa Runder Tisch in Bombogen). All dies erfordere angemessene Zeitressourcen und ständige Weiterbildungspotenziale zwingend ein. Die nun weiter freigestellt arbeitende Leiterin fasst zusammen: "Bin ich 38,5 Stunden in meiner Arbeit im pädagogischen Dienst eingesetzt - so wie angedacht - kann ich nicht leiten oder leite ehrenamtlich. Leite ich, fehle ich im pädagogischen Dienst. Wie soll dieser Spagat möglich sein? " Sie betont: "Diese Entscheidung ist auf Trägerebene außergewöhnlich in Rheinland-Pfalz und spricht für die Prioritätensetzung der Stadt Wittlich hinsichtlich der Ressourcen für den Bildungs- und Betreuungsbereich ihrer Kinder."

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