Mit Fellmütze und Brustkreuz

WITTLICH. Anders als sonst war der Musikkreis der Stadt Wittlich diesmal der Veranstalter eines Konzertes, das sich abseits des hohen Anspruchs der klassischen Musik bewegte. Mit Iwan Rebroff wurde ein ganz anderes Publikum angesprochen, das die Gelegenheit, den Sänger live zu erleben, begeistert aufnahm.

 So kennt man ihn: Fast wie ein Bischof thronte Iwan Rebroff bei seinem Konzert hinter dem Altar der Pfarrkirche St. Bernhard.

So kennt man ihn: Fast wie ein Bischof thronte Iwan Rebroff bei seinem Konzert hinter dem Altar der Pfarrkirche St. Bernhard.

Foto: Foto: Gerhard W. Kluth

Unter seinem bürgerlichen Namen Hans Rippert hätte er wahrscheinlich niemanden in die katholische Pfarrkirche St. Bernhard in Wittlich locken können. Unter seinem Künstlernamen allerdings schaffte es Iwan Rebroff, das Gotteshaus in einem Maße zu füllen, wie es sich manch anderer Musiker nur wünschen kann. Seit mehr als 40 Jahren steht der inzwischen 72-Jährige auf der Bühne und verkörpert das Image des Russen so intensiv, dass man an seiner deutschen Herkunft Zweifel haben möchte.In der Erinnerung bleibendes Erlebnis

Die Reaktionen auf Rebroffs Vorträge in Wittlich kann man nur mit begeistert beschreiben. Für viele der Zuhörer war das Konzert ein sicherlich lange in der Erinnerung bleibendes Erlebnis. Es ist nicht die Aufgabe einer Rezension, dem Leser und vor allem auch dem Konzertbesucher zu vermitteln, ob ihm das Konzert gefallen haben sollte oder nicht. Vielmehr sollte es eine Würdigung des Gebotenen sein, die im richtigen Verhältnis zum erhobenen Anspruch des Ausführenden steht. Dieser Anspruch ist erheblich. Er basiert nicht nur auf dem Image, das dem Sänger vorauseilt, sondern wird auch gestützt durch eine Hochglanzbroschüre, und er wird unterstrichen von den nicht unerheblichen Eintrittspreisen. Anzuerkennen ist, dass Rebroff trotz seines nicht unbeträchtlichen Alters noch immer auf der Bühne steht und sich die Strapazen, die Tourneen nun einmal mit sich bringen, antut. Wie man in Wittlich erleben konnte, danken ihm seine Fans diesen Einsatz und verzeihen gerne, wenn ihrem Star auch einmal ein Schnitzer unterläuft. Die Veranstaltung sollte ein Konzert mit geistlichem Inhalt sein, "der Würde der heiligen Stätte angepasst", wie es im Programmheft hieß. Bestätigt wurde dieses durch Rebroffs Auftreten in seiner typischen russischen Kleidung, die neben der, reich mit Strass besetzten Tunika und der unvermeidlichen Fellmütze, auch auf ein goldenes orthodoxes Brustkreuz nicht verzichtete. Dazu kam ein mit reichem Schnitzwerk versehener Stuhl, der gleich einem Bischofsthron hinter dem Altar aufgestellt war. Da muss die Frage gestattet sein, was in einem solchen Umfeld in der Passionszeit musikalische Einlagen aus der Nussknackersuite oder aus der Oper "Fürst Igor" von Alexander Borodin zu suchen haben. Man kann aber über die Programmgestaltung durchaus geteilter Meinung sein oder aber sich Rebroff anschließen, wenn er sagt "alle gute Musik gehört in ein Gotteshaus". Das Konzertes begann mit einer eigenwilligen Bearbeitung der Cembalo-Kadenz des fünften brandenburgischen Konzertes von Johann Sebastian Bach, vorgetragen von Andreas Kowalewitz auf der Orgel. Das geschulte Kritikerohr bemerkte zwar einige falsch gegriffene Töne, das Publikum ließ sich aber dadurch den Genuss nicht verderben. Dass Ivan Rebroff nicht mit den Ansprüchen eines professionellen Sängers zu messen ist, sondern dass er durch seinen eigenwilligen, für ihn charakteristischen Gesangsstil die Herzen des Publikums wärmt, zeigte sich in St. Bernhard. So zog er das "Heilig, heilig" aus Franz Schuberts Deutscher Messe oder auch dessen "Ave Maria" so in die Länge, dass er dem Vorurteil, diese Kompositionen seien reiner Kitsch oder eben das Gemüt und das Gefühl belebende Melodien, einen beträchtlichen Vorschub leistete. Ein Konzert, in dem sehr deutlich wurde, dass die Zustimmung des Publikums von Kriterien abhängt, die den Kritiker verstummen lassen: Herzensangelegenheiten, sozusagen.

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