Mit Maske und Meißel

Die Auftragsbücher des Wittlicher Bildhauers Sebastian Langner sind voll. Am meisten gefragt sind seine Grabmale, die er - wie nur wenige Bildhauer in Deutschland - mit einem individuellen Bezug zum Verstorbenen und handwerklich aufwendig gestaltet. Für die freie Kunst bleibt ihm kaum noch Zeit.

Wittlich. In der Werkstatthalle von Bildhauer Sebastian Langner herrschen winterliche Außentemperaturen. In dem ehemaligen Holzsägewerk aus den 1930er Jahren arbeitet der 40-jährige Wittlicher an besonders großen Skulpturen. Durch eine Öffnung im Dach lässt ein Kran die bis zu zehn Tonnen schweren Steinblöcke hinab. Gewaltig wie die Steine sind die Hohllochbohrmaschine von 1946, die bis zu 1,50 Meter tief bohren kann, und die Steinsäge von 1951, die von einem U-Boot-Motor aus dem Zweiten Weltkrieg angetrieben wird. "Ich habe gerne alte Maschinen, weil ich sie selbst reparieren kann", erzählt Langner.

Kreativ mit Schutzbrille und Handschuhen



In einem Nebenraum der großen Halle überzieht eine dicke, helle Staubschicht Boden, Fenster und Arbeitsgeräte. Hier bearbeitet der Bildhauer die Steine mit Presslufthämmern, in denen Meißel aller Größen stecken. Die ursprünglichen Steinmetzwerkzeuge wie Zweispitz, Spitzeisen und Fäustel, Knüpfel, Krönel und Zahneisen benötigt er nur noch für seine Kurse an der Volkshochschule. "Damit arbeitet heute hoffentlich kein Steinmetz mehr", wünscht Langner seinen Berufskollegen. Nur für den ersten Schlag am Stein, mit dem er ihn sprengt, arbeitet er mit Hammer und Meißel. "Da gehen die dicken Fatzen weg", erklärt Langner. Bei der lauten und staubigen Arbeit trägt er Handschuhe, Atemschutzmaske, Schutzbrille und Gehörschutzkapseln.

Zeichnen und Modellieren gehören zum Beruf



Neben der "schmutzigen Werkstatt", wie Langner sie nennt, befindet sich eine dritte Werkstatt für die feineren Arbeiten. Dort zeichnet und modelliert der Bildhauer Muster in Ton.

"Ich muss was machen, wo abends ein Ergebnis vor mir liegt." Das sei ein Grund, warum er sich 1993 der Bildhauerei zuwendete. Dafür brach er sein Studium der Archäologie und Kunstgeschichte ab, das er als "nett, aber unnütz" einstuft. Nicht ganz unnütz, wie sich her ausstellte. Denn Langner erfuhr dabei, dass er in der Lage war, historische Abbildungen so präzise zu beschreiben, als habe er sie selbst geschaffen. Sein Professor legte ihm nahe, bei seinem Talent "die Fronten zu wechseln". Drei Monate später begann er seine Ausbildung zum Steinmetz und Bildhauer in Köln.

Langner bezeichnet sich nicht als Künstler, weil er kaum mehr frei arbeitet, stattdessen fast nur noch Auftragsarbeiten ausführt. "Die Zeit, in der ich rein aus Freude einen Stein hinlegen und loslegen konnte, ist passé. Ich komme nicht mehr dazu", sagt er ohne Bedauern.

In seiner knappen Freizeit zeigt der Steinmetz eine ganz andere Seite seiner Persönlichkeit: Er singt. Alles - von Kunstlied bis Arie. Und er spielt klassische Klavierliteratur.

Über die Hälfte seiner bildhauerischen Arbeiten nehmen Grabmale ein. Jedes fertigt er individuell an, wobei er Wert darauf legt, Wesenszüge des Verstorbenen in sein Werk einfließen zu lassen. Dafür bedarf es langer, tiefgehender Gespräche mit den Angehörigen - ein Aspekt, der ihm seinen Beruf so wertvoll macht.

Individuell ausgesucht sind auch die ausnahmslos heimischen Steine, die Langner verwendet: Sandstein, Basaltlava, Kalkstein und der dunkelgrüne Diabas. Bis zu mehreren Wochen arbeitet er an einem Grabstein, von morgens acht bis abends um sieben, sechs Tage die Woche.

Arbeiten sollen Inhalte transportieren



Gerade hat er eine Metallarbeit vollendet, die noch in der Werkstatt steht. Sie zeigt eine Reihe menschlicher Silhouetten, die blutrot lackiert nach vorne aus dem Blech heraus in die Waagerechte gekippt sind. Sie stehen für die Einwohner von Gondenbrett bei Prüm, die 1572 von marodierenden Söldnern ermordet wurden. Seinen Entwurf hielt Langner zeitlos: "Ich wollte zeigen, dass so etwas jederzeit vorkommt." Es ist ein Beispiel für das, woran ihm bei seiner Arbeit gelegen ist: Inhalte transportieren.

zur person Nach dem Abitur am Cusanus-Gymnasium in Wittlich 1990 und abgebrochenem Studium der Fächer Kunstgeschichte und Archäologie an der Uni Trier begann Sebastian Langner eine Lehre zum Steinmetz und Bildhauer bei Hilarius Schwarz in Köln. 1996 legte er die Gesellenprüfung in Düsseldorf ab und nahm eine Tätigkeit bei Karl-Josef Schneider in Siegburg an. 1999 legte er seine Meisterprüfung in Trier ab. Seit 2000 arbeitet er als selbstständiger Steinmetz- und Bildhauermeister in Wittlich. Zu seinen Werken gehören der Dorfbrunnen in Heckenmünster, der Brunnen in Wallscheid, das Denkmal an der Wittlicher Schlossgalerie, die Laurentius-Skulptur auf dem Dauner Laurentiusplatz, ein Mosella-Relief am Hotel "Bellevue" in Traben-Trarbach sowie das Stefan-Andres-Denkmal in Trittenheim. Zu sehen sind seine Arbeiten auf seiner Homepage www.sebastianlangner.de

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