Mit sanfter Stimme gegen die Klischees

Auf Einladung des Bündnisses für Menschlichkeit und Zivilcourage sprach Romani Rose in Bernkastel-Kues. Sein Bericht rüttelte auf, ging unter die Haut, und mahnte die Demokratie weiter zu stärken.

Bernkastel-Kues. Ein regnerischer Abend in der Adventszeit lädt nicht unbedingt dazu ein, das Haus zu verlassen und sich auf einen Vortrag einzulassen, der sich mit dem Schicksal von Sinti und Roma, im Volksmund oft als Zigeuner bezeichnet, befasst. Aber es lohnt sich. Etwa 50 Leute hören Romani Rose, dem Präsidenten des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma zu, als er im Hotel Burg Landshut in Bernkastel-Kues spricht. Die Geschichte der Sinti und Roma reicht Jahrhunderte zurück. Rose beschäftigt sich mit der Zeit vor und während der NS-Herrschaft und mit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. 500 000 Sinti und Roma sind dem Holocaust zum Opfer gefallen, meist in Konzentrationslagern. Genau wie den Juden wurde ihnen, mit Hinweis auf die Rasse, das Recht zum Leben abgesprochen. Romani Rose hat selbst 13 Angehörige in Konzentrationslagern verloren. Doch da spricht kein Mann, der von Hass geprägt ist. Da spricht jemand mit sanfter Stimme, der sich mit Stolz als Deutscher bezeichnet. "Ich identifiziere mich mit diesem Land. Deutschland hat sich wie kein anderes Land mit seiner Geschichte auseinandergesetzt", sagt der 61-Jährige. Er verhehlt nicht, dass der Prozess der Demokratisierung, was die Sinti und Roma angeht, lange gedauert hat. Der Völkermord an der Volksgruppe sei nach dem Krieg noch jahrelang geleugnet worden. "Es fand keine Aufarbeitung statt." Der Völkermord an den Juden sei bereits 1949 anerkannt worden, das Verbrechen an den Sinti und Roma erst 1982, erläutert er. Rose vertritt etwa 70000 Kinder, Frauen und Männer, die oft immer noch als Zigeuner tituliert werden.Rose findet diesen Ausdruck diskriminierend. "Wir haben uns nie so genannt", sagt er. Selbst wenn der Ausdruck positiv gemeint sei, beispielsweise im Zusammenhang mit Freiheit, Liebe, Romantik, mag er ihn nicht. "Das sind Klischees und Vorurteile", sagt er. Man lebe in einer Leistungsgesellschaft und müsse sich jeden Tag beweisen. Es ist ruhig im Raum, während Rose spricht. Doch er lässt keine sprachlosen Zuhörer zurück. Die Diskussion ist intensiv und teilweise aufwühlend. Auch die jungen Menschen, wie Esther Simon, beteiligen sich daran. "Das war sehr interessant", fasst sie nach zweieinhalb Stunden zusammen. Auch Rosa Mehn hat sich mehrfach zu Wort gemeldet. Die Wintricherin mit den wachen Augen ist 93 Jahre alt. "Ein Mensch ist ein Mensch, egal ob er schwarz, weiß oder bunt ist, egal welcher Religion er angehört. Man kann Menschen zwar beurteilen, aber nicht verurteilen", sagt sie gegenüber dem TV. Ein besseres Schlusswort hätte auch Romani Rose nicht finden können.

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