Mit Staubsauger und Saxofon

WITTLICH. (bb) Höchste Aufmerksamkeit und viel Beifall für ein expressives Ein-Personen-Stück mit extravaganter Saxofonbegleitung in der Synagoge: Manuel Klein und Anne Kaftan führten den 1944 von Friedl Benedikt unter dem Pseudonym Anna Sebastian im Exil geschriebenen und 2004 in deutscher Sprache erschienen Roman "Das Monster" auf.

Grundlage der Premiere ist der 300 Seiten starke Roman "Das Monster". Geschrieben hat ihn 1944 in englischer Sprache die damals 28-jährige Wienerin Friedl Benedikt, Geliebte des Erzählers und Dramatikers Elias Canetti, im Exil in London unter dem Pseudonym Anna Sebastian. Für das deutsche Lesepublikum entdeckt hat ihn 2004 der Verleger Thomas Schumann. "Das Monster" ist der Vertreter Jonathan Crisp, der in Londoner Wohnvierteln Türklinken putzt und Perserteppiche absaugt, um sein neuestes Staubsaugermodell "Tantalus" an die Hausfrau zu bringen. Dabei wird Crisp ausgenutzt und ausgeschimpft, verhöhnt und ausgelacht. Er, der sich jahrelang anbiederte, wandelt sich zum menschenverachtenden Ungeheuer, er spricht mit Gott, indem er bittet, verhandelt und droht. Am offenen Roman-Ende bleiben Verlassenheit, Verlorenheit und Wut. Die Autorin entfaltet eine bizarr-groteske Handlung, in der sich Bezüge zu Franz Kafka und Samuel Beckett geradezu aufdrängen. Wie nun einen solchen Roman auf die Bühne bringen? Elke Scheid, Leiterin der Stadtbücherei Wittlich und gemeinsam mit dem Emil-Frank-Institut federführend bei dieser Aktion, gab im Ausschlussverfahren Antwort: Eine schlichte Lesung sei nicht in Frage gekommen, die Interpretation durch einen Germanisten sei nur für ein Fachpublikum geeignet und die Vorstellung von Verlagsarbeit allein zu trocken. "Gottlob hatten Manuel Klein und Anne Kaftan Zeit, Lust und Fantasie, sich mit dem Roman zu beschäftigen", sagte Scheid mit Blick auf den aus Wittlich stammenden Schauspieler mit Engagement am Oldenburgischen Staatstheater und die in der Eifel und in Köln agierende Musikerin und Ärztin. So kamen die 150 Premierengäste 70 Minuten lang in den Genuss, zwei junge talentierte Künstler zu erleben, die an Stehtisch und Notenständer in Wort und Ton eine gleichermaßen beeindruckende und bedrückende Vorstellung gaben. Zeit, Lust und Fantasie für die Umsetzung

Manuel Klein spielte den Staubsaugervertreter in all seinen wechselhaften Befindlichkeiten grandios. Anne Kaftan wechselte je nach Gefühlslage des Protagonisten vom Sopran- zum Bass-Saxofon, mal dem Gesprochenen musikalisch entsprechend oder auch entgegengesetzt. Und wie findet ein solcher Roman überhaupt nach Wittlich? Weil das Emil-Frank-Institut und die Stadtbücherei den Kölner Literaturwissenschaftler und Verleger Thomas B. Schumann eingeladen hatten, seinen Verlag und seine Arbeit vorzustellen. Schumann sprach über seine persönlichen Begegnungen mit Schriftstellern und plädierte eindringlich für die Bewahrung der Literatur der deutschen Exilschriftsteller nach 1933. Zu diesem Zweck hat er 1991 einen Verein und 1994 einen Verlag gegründet. Bisher stehen 14 Bände im Programm der "Edition Memoria", darunter eben auch "Das Monster".

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