Moderne Wege in historischem Fachwerk

Das Weingut Steffens-Keß hat sich dem ökologischen Weinbau verschrieben und präsentiert sich seit den Anfängen des Internets in ganz moderner Technologie. Doch eingebettet ist der modern denkende Betrieb in eine historische Schale vom Beginn des 18. Jahrhunderts.

Reil. Nur wenige Meter vom Moselufer in Reil führt eine verschneite Zufahrt zum Fachwerkhaus von Harald Steffens und Marita Keß. Der Weg zu dem im Jahr 1700 erbauten Haus mit seinem steilen Giebel leitet den Besucher direkt vor den Eingang des Weinkellers, das Herzstück des Winzerbetriebes. In dem Gewölbe lagert das Winzerehepaar seine ökologisch angebauten Weine in Eichenholzfässern.

Harald Steffens steigt die von dickem Schnee bedeckte Außentreppe hinauf und tritt aus dem Kellereingang, der unter einem Terrassenvorbau liegt, auf den verschneiten Hof hinaus. Hinter ihm reckt sich über dem massiven Erdgeschoss die mit Hölzern verzierte dreistöckige Fachwerkfassade in den blauen Winterhimmel hinauf.

Harald Steffens stapft durch den Schnee vorbei an einem kleineren Fachwerkbau, der 1730 als Pferdestall errichtet wurde, und gelangt so über den Hof zum Seiteneingang seines typisch moselländischen Bürgerhauses. In der Hand trägt er einen Fotoapparat. Mit ihm macht er Aufnahmen für das Online-Tagebuch über das Weingut. Einen eigenen Blog hat er auch. In der in den Zwanzigerjahren mit dunklem Holz vertäfelten Probierstube erzählt Steffens aus der Geschichte des Hauses, das er seit zwei Jahrzehnten mit seiner Frau und drei Kindern bewohnt. Der erste Besitzer sei ein gewisser Peter Rieth gewesen, geht Steffens in die Geschichte zurück. Er habe das Bürgerhaus als Komplex mit Pferdestall und dem angrenzenden barocken Herrenhaus erbauen lassen.

1990 kauften Harald Steffens' Schwiegereltern das Fachwerkhaus mit 400 Quadratmetern Wohnfläche und einem 1300 Quadratmeter großen Grundstück. "Sie kamen aus dem Sauerland und wollten immer schon ein Fachwerkhäuschen an der Mosel. Es ist dann etwas größer ausgefallen", schmunzelt Steffens. Genug Platz, um seinen Winzerbetrieb von Briedel nach Reil zu verlegen. In der dreijährigen Renovierungsphase gestaltete der Winzer Gebäude und Hof zu einem modernen Weinbaubetrieb um.

Größter Eingriff in die historische Bausubstanz war der Einbau eines Lastenaufzugs in das Kreuzgratgewölbe des Weinkellers.

Eine entscheidende Renovierungsmaßnahme liegt erst wenige Monate zurück: Die Familie ließ von einem Schreiner Wärmedämmvorsatzscheiben vor die einfach verglasten originalen Fenster setzen, durch die unangenehme Kälte kroch. Die Zweifachverglasung, die die Optik der Fenster nicht beeinflusste, preist Steffens als Segen. "Vorher war der Wohlfühlfaktor im Winter nicht besonders groß."

Eine andere für den modernen Menschen entscheidende Veränderung des Hauses liegt lange zurück. Während größerer Umbauten zwischen den Jahren 1870 und 1924 wurde an das Haus ein Toilettenturm angebaut, so dass die Notdurft fortan nicht mehr draußen verrichtet werden musste. Solche historischen Versatzstücke machen für Harald Steffens den Unterschied zu einem langweiligen Neubau aus. Dazu gehören auch die sichtbaren Rohre entlang der Decken. Um sie zu verstecken, hätten die historischen Stuckdecken abgehängt werden müssen. So betrachtet die Familie sie eben als schöne Stilelemente. Um den historischen Charakter des Hauses zu erhalten, will Steffens das Haus, das für seine Familie auch "halb so groß sein könnte", nicht für Mieter oder Feriengäste umbauen. "Das wäre ohne massivste Eingriffe in die Bausubstanz nicht möglich." Davor möchte er sein Denkmal allerdings bewahren.

EXTRA

Das Bürgerhaus in der Moselstraße 63 hat zur Mosel hin eine aufwendig gestaltete Fassade. Über dem Hauseingang ist die Jahreszahl 1700 in den Türsturz gemeißelt. Links und rechts daneben sind je ein Doppelfenster von Sandstein eingerahmt. Darüber erstreckt sich dekorativ und ornamental das Fachwerk mit Brüstungshölzern und der Besonderheit so genannter "Mann-Figuren", die als Schmuckhölzer im Fensterbereich der Zierde dienen. Ein weiteres Schmuckstück ist die Kölner Decke in der Küche des Hauses sowie die Originaltüren mit den alten Eisen-Beschlägen. 1788 und 1974 ging der aus drei Gebäuden bestehende Komplex in der Moselstraße an verschiedene Besitzer über und wurde geteilt. Im Fachwerkhaus war von 1870 bis 1974 ein Weinhandel untergebracht. Später beherbergte es eine Druckerei, seit 1990 nutzt es Familie Steffens-Keß als Weingut. Mehr Informationen zu ihrem Betrieb auch auf der täglich aktualisierten Website mit Blog www.steffens-kess.de (sys)

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