Modeschmuck im Wirtschaftsboom

Idar-Oberstein · Unter dem Titel "Modeschmuck des Wirtschaftswunders" gibt eine Ausstellung Einblicke in das Schmuckdesign der 1950er und 1960er Jahre. Gleichzeitig machen diese Produkte auch den gesellschaftlichen Wandel der beiden Jahrzehnte anschaulich.

Idar-Oberstein. Die als "Wirtschaftswunder" bezeichnete Epoche der 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts brachte auch für die Obersteiner Bijouterie-Industrie einen beispiellosen Aufstieg. Mehr als 5000 Menschen waren zeitweise vor allem im Zentrum dieser Industrie zwischen Bahnhof und Wilhelmstraße, aber auch als Heimarbeiter im weiten Umland beschäftigt. Dabei setzten die Obersteiner Betriebe durchaus eigene kreative und gestalterische Akzente. Dies belegt eine neue Ausstellung im Fabrikgebäude des Industriedenkmals Bengel.
Unter dem Titel "Modeschmuck des Wirtschaftswunders" haben Willi Lindemann, Kurator der Reihe "Idar-Oberstein schmückt sich", und Theo Smeets, Professor an der in der Vollmersbachstraße angesiedelten Fachrichtung Edelstein und Schmuck der Hochschule Trier, eine Ausstellung mit ausgewählten Stücken aus Obersteiner Produktion zusammengestellt. Ergänzt wird die Übersicht durch zahlreiche Fotos, die sowohl einen Einblick in die Produktion als auch die Präsentation des Schmucks geben.
"Die Auswahl ist unter mehreren Aspekten getroffen worden", erläutert Lindemann. "Zum einen wollen wir exemplarische Spitzenprodukte zeigen, die den eigenständigen Obersteiner Beitrag zur Schmuckgeschichte zeigen. Zum anderen illustrieren wir an einigen Verkaufsschlagern dieser Zeit den radikalen Wandel in Zeitgeist und Käufergeschmack. Nicht zuletzt geht die Ausstellung auch auf damals neue Materialien wie das Eloxal oder neue technische Verfahren wie den Spritzguss ein."
Visionäre in den Chefetagen


"Beachtlich ist beim Obersteiner Schmuck dieser Zeit einerseits die hohe Qualität der Verarbeitung mit vielfach technisch sehr anspruchsvollen Lösungen und Verfahren", lobt Smeets. "Da zeigt sich die lange Tradition und Routine der Metallverarbeitung, die mit großem Geschick auch auf neue Produkte übertragen wird. Sehr viele Arbeiten bestechen auch durch ihr künstlerisch hochwertiges Design, das ästhetisch bis heute Bestand hat. Dafür bedurfte es nicht nur begabter Designer, sondern auch der Visionäre in den Chefetagen, die über den eigenen Tellerrand blickten und Freiräume für Kreativität geschaffen haben."
Lindemann ist überzeugt, mit dieser Ausstellung einen weiteren Schritt in der Dokumentation vom Erbe Idar-Obersteins zu machen: "Dazu gehört auch, dass wir Namen und Gesichter der Designer zeigen, die hinter diesen Arbeiten stecken und die bislang in der Regel anonym geblieben sind, da die meisten Produkte keine Signatur haben."
Ebenso mache die Ausstellung anhand des Schmucks auch den tiefgreifenden gesellschaftlichen und kulturellen Wandel anschaulich, der diese beiden Jahrzehnte kennzeichnet. "Während die Obersteiner Schmuckindustrie sich zu Beginn der 1950er Jahre noch stark am Geschmack der Vorkriegszeit orientiert und - mal historisierend, mal experimentierend - gleichsam einen gestalterischen Weg sucht, wird insbesondere ab den 1960er Jahren eine Internationalisierung des Designs sichtbar und stilprägend, die einen neuen, demokratischen und der Welt zugewandten Zeitgeist widerspiegelt." jst

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort