Moselwein als Freundschafts-Band

Vor 50 Jahren half der junge britische Soldat William "Bill" Albert Windsor Mountcastle aus Colchester (England) zum ersten Mal bei der Traubenlese in Kues. Jetzt feierten die Familien das Erntehelfer-Jubiläum.

Bernkastel-Kues/Colchester. "Jedes Mal wenn ich die Moselweinberge sehe, weiß ich, ich bin zu Hause", strahlt Bill Mountcastle. Mitglieder der Familien Mountcastle aus Colchester in England und Willi Schmitt aus Kues haben sich in der Gaststätte "Alt-Cues" zu einer Erinnerungsfeier versammelt. Bill hat seine deutschen Freunde eingeladen, sein 50-jähriges Erntehelfer-Jubiläum zu feiern.

Die deutsch-englischen Familienbande begannen 1959: damals im hervorragenden Weinjahr bewarben sich Moselwinzer um ausländische Erntehelfer. Die Nachricht verbreitete sich überall, auch in der britischen Rheinarmee kam sie an. Dort war auch der junge Soldat Mountcastle stationiert. Der 19-Jährige entschied sich spontan zum "Dienst" in den Weinbergen - ohne Bezahlung, aber mit Kost, Logis und Familienanschluss. "Etwas Schöneres hätte mir nicht passieren können", schwärmt Bill. Auch wenn er anfangs keine Ahnung hatte, wo Bernkastel-Kues liegt und was ihn dort erwartet. Er animierte weitere 20 britische Soldaten, mitzugehen.

Im Herbst 1959 kamen die Erntehelfer am Kueser Bahnhof an, feierlich empfangen von Bürgermeister, Presse und sogar dem Fernsehen. Bei Winzer Willi Schmitt kam Mountcastle unter. "Er wurde sofort ein Mitglied unserer Familie", sagt der heute 88-Jährige - und umarmt seinen englischen Freund. Die Arbeit in Weinberg und Keller war hart, aber Bill, wie er liebevoll von seiner neuen Familie genannt wurde, packte kräftig mit an. Als Unerfahrenen ereilte ihn aber gleich zu Anfang seiner "Traubenträger-Karriere" ein Missgeschick:

"Ich landete beim Ausleeren der Botte Hals über Kopf in der Traubenbütte", lacht Bill heute noch darüber. Die Mosel wurde für Mountcastle zur zweiten Heimat, die er auch Kameraden während Sommercamps auf dem Kueser Werth nahebrachte. Auch wenn in den folgenden Jahrzehnten Militäreinsätze in aller Welt Besuche an der Mosel einschränkten, machten sich regelmäßig Postkarten auf den Weg.

"Wir sind dankbar und stolz auf unsere Freundschaft, die schon so lange währt und sich auf unsere Kinder ausgedehnt hat", sagen Bill und Willi. Der Rebensaft ist ihnen ein Genuss, und wenn die Mountcastles in ihrer Heimat einen Wein bestellen, "dann muss es Mosel sein", versichert der ehemalige Traubenträger.

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