Multitalent unter vielen Intellektuellen

Bernkastel-Kues · Das Publikum lacht schallend. Im nächsten Moment schweigt es betroffen. Kabarettist Christoph Sieber beleuchtet mit seinem Programm "Alles ist nie genug" die Politik und die Gesellschaft drum herum.

 Multitalent Christoph Sieber in Aktion. Foto: Artur Feller

Multitalent Christoph Sieber in Aktion. Foto: Artur Feller

Bernkastel-Kues. "Christoph Sieber ist ein deutscher Kabarettist", ist bei Wikepedia zu lesen. Falsch! Der 42 Jahre alte Schwabe ist viel mehr. Zum Beispiel Pantomime, das hat er sogar studiert, Jongleur, Akrobat, Sänger und auch ganz normaler Komödiant. Wer so viele Talente hat und sie alle auf der Bühne präsentieren will, braucht Zeit. Die nimmt er sich in der Mosellandhalle in Bernkastel-Kues. Mehr als zwei Stunden lang, obwohl er weiß, dass die Patienten der umliegenden Reha-Kliniken um 22 Uhr "Einschluss" haben.
Viele von ihnen sind aber nicht im Saal. Stattdessen stellt Hermann Lewen, Chef der Kultur & Kur GmbH, fest: "Die intellektuelle Intelligenz der Mittelmosel ist da." Die besteht demnach aus etwa 270 Frauen und Männern.
Da kommt erst einmal der Wunsch auf, dass das Dach nicht einstürzt. Sieber tut alles dafür, dass die Begeisterung die 40 Jahre alte Halle zumindest zum Beben bringt. Ganz aktuell berichtet er über die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und SPD. "Wir werden die Mutti nicht los", sagt er. Kanzlerin Angela Merkel taucht immer wieder in dem Programm mit dem Titel "Alles ist nie genug" auf. Genauso wie die Aufforderung von Siebers Großeltern immer frische Unterwäsche anzuhaben.
Alles ist nie genug: Das gilt beispielsweise für all-inclusive, die beliebtesten Mahlzeiten der Deutschen. Da werde, so Sieber, sogar die Verpackung gegessen.
Der Schwabe erzählt für das intellektuelle Publikum ebensolche Witze. Die Leute sind begeistert, doch Minuten später bleiben sie ruhig. Zum Beispiel wenn Sieber wie beiläufig erwähnt, dass über die humanitären Katastrophen in Syrien und auf der italienischen Insel Lampedusa kaum mehr berichtet wird. Solche Gegensätze ziehen sich durch das Programm.
Sieber jongliert mit Bällen und erklärt dabei wie Politik funktioniert - köstlich. Er beklagt, dass sich bisher 100 000 junge Leute als Kandidaten bei "Deutschland sucht den Superstar" beworben, sich demütig vor Dieter Bohlen niedergekniet und dann gedemütigt rausgehen - traurig. Und warum saufen junge Menschen so viel? Damit die Alten vom Flaschenpfand leben können.
Hermann Lewen widmet das Programm dem verstorbenen Dieter Hildebrandt. Der stand vor 20 Jahren auf der gleichen Bühne wie Christoph Sieber an diesem Abend. cb

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