Mundart macht Kinder schlau

Wie schafft man es, dass Kinder wieder Moselfränkisch sprechen? Diese Frage treibt Josef Buchholz, Vorsitzender der Mundart-Initiative Cochem-Zell, um. Irgendwann war ihm schließlich klar: Nur noch die Wissenschaft kann etwas retten.

Cochem-Zell. Mundart macht schlau. Das sagt der Wissenschaftler Matthias Katerbow von der Philipps-Universität Marburg. Er arbeitet dort am Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas. Josef Buchholz hat als Vorsitzender der Mundart-Initiative Cochem-Zell Kontakt zu ihm aufgenommen. Denn Buchholz sucht den wissenschaftlichen Beweis dafür, dass das "Platt schwätze" für Kinder keine Krux ist. Im Gegenteil: "Platt" ist alles andere als platt.

Kinder lernen die Mundart nur, wenn sie sie in ihrem Lebensumfeld hören und selber sprechen. Wissenschaftler Katerbow sagt: "Die gesprochene Sprache ist die Ausgangsbasis beziehungsweise der soziale Rahmen, in dem Kommunikation stattfindet und in den das Kind hineinwächst." Weil es aber immer weniger Familien gibt, in denen die Mundart zum Alltag gehört, drohen die Dialekte der Dörfer auszusterben.

Viele Eltern fürchten, die Mundart könne ihre Kinder im schulischen Erfolg beeinträchtigen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Matthias Katerbow sagt: "Vielmehr ist es für Kinder förderlich, früh mit der Variation innerhalb einer Sprache in Kontakt zu kommen und verschiedene Sprechweisen zu lernen. Das fördert Kreativität, einen offenen Umgang mit Sprache, Verständnis für Andersartigkeit und den Erwerb einer Zweitsprache."

Wer "Platt" kann, spricht besseres Hochdeutsch



Ein Dialekt schafft zudem soziale Nähe und Identität - mit einer Gruppe, einem Ort oder einer Region. Wie andere Sprachwissenschaftler auch hat Katerbow festgestellt: "Wer mit seinen Kindern Dialekt spricht, hindert sie nicht am Erwerb von schulischem Wissen." Vielmehr erklären einige Forscher das gute Abschneiden von Bayern und Baden-Württemberg bei der Pisa-Studie damit, dass der Dialekt in diesen Bundesländern noch besonders verbreitet ist. Der Wechsel zwischen zwei Sprachebenen stärke Auffassungsgabe und abstraktes Denken. Außerdem: Wer "Platt" kann, spricht besseres Hochdeutsch. Denn wer beides beherrscht, kann bewusst zwischen den beiden sprachlichen Ausdrucksformen wechseln.

Solche Studien machen Josef Buchholz zuversichtlich. Denn er wirbt unermüdlich für eine Renaissance der Mundart, weiß aber auch: Da haben die Eltern ein Wörtchen mitzureden. Nur wenn sie mit ihren Kindern Moselfränkisch sprechen, kann der Dialekt überleben. Je selbstverständlicher Platt in der Familie, im Büro und im Verein gesprochen wird, umso eher wird es eine Überlebenschance haben.Extra Die Mundart-Initiative Cochem-Zell besteht seit 2007 offiziell als Verein. Regelmäßig werden Veranstaltungen zum "Platt schwätze" organisiert. Ziel des Vereins ist es, das Moselfränkische mit all seinen vielfältigen Ausprägungen und Formen zu pflegen und vor allem zu erhalten. Mehr zur Initiative gibt es im Internet unter www.unser-platt.de (red)

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