Mutmaßliche Veruntreuung: Akten bitte nur im Original

Trier/BernkastelKues · Im Prozess um einen ehemaligen Mitarbeiter des Ordnungsamts der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues hat die Verteidigung Einsicht in die Originalakten gefordert. Bisher liegen die Beweismittel nur als Kopien vor

Unregelmäßigkeiten an der Kundenkasse des Ordnungsamtes lösten im Jahr 2012 eine hektische Betriebsamkeit in der Verbandsgemeindeverwaltung Bernkastel-Kues aus. Hatte der heute 64-jährige Angeklagte über Jahre eingebuchte Kundenzahlungen in der elektronischen Kasse storniert und auf diesem Weg rund 70.000 Euro für sich kassiert?

Der Verwaltungsangestellte wurde jedenfalls entlassen. Die Kriminalinspektion Wittlich erhielt zur weiteren Ermittlung bergeweise Akten mit zugehörigen Kassenzetteln. Ein Beispiel: Einem Antragsteller wird ein Imbissbetrieb gestattet. Diese "Gestattung" erhält er gegen eine entsprechende Gebühr schriftlich auf einem DIN-A-4-Blatt. Die Kassenquittung für die Gebühr wird entweder auf die Rückseite geklebt oder vorne ans Blatt getackert.

Da sich der Verdachtszeitraum auf die Jahre 2005 bis 2011 erstreckt, sind in der Zeit Berge von Akten aufgelaufen, die von der Kripo geprüft werden mussten. Doch die Ermittler erhielten keine Originale, sondern nur Kopien der Akten, wie eine Beamtin bestätigt. Und hier sitzt der Teufel im Detail: In mehreren Samstags-Sondereinsätzen waren zahlreiche Verwaltungsmitarbeiter an die Kopierer geeilt, um die Menge zu bewältigen.

Als Zeugen bestätigen die Mitwirkenden, dass man dabei möglichst zweckmäßig vorgegangen war: Klebte die Quittung auf der Rückseite, wurde erst die Textseite kopiert, das Original im Kopierer gewendet und die Quittung über die Textseite kopiert. Das Ergebnis: Von einigen Tausend "Fallakten" liegen nun auch bei der Dritten Großen Strafkammer nur fünf Originale. Alles andere sind Kopien, wobei die Kassenzettel meist mitten über die Texte kopiert worden sind.

Verteidiger Dr. Thomas Schneider lehnt dieses Material ab. "Diese Kopien sind reine Produkte einer Textverarbeitung aus zwei Originaldokumenten und nach der laufenden Rechtsprechung als Beweismittel nicht verwertbar", verweist der Anwalt auf ein entsprechendes BGH-Urteil. Auf die Verlesung der seitenstarken Urteilsbegründung wird verzichtet. Stattdessen will der Vorsitzende Richter Armin Hardt selbst in der Gerichtsbibliothek nachschlagen.

Mit diesem "Tag der Kopierer" hat die Verteidigung erreicht, dass sie alle gewünschten "Fallakten" im Original einsehen kann.

Die nächste Sitzung ist für Donnerstag, 18. Mai, 9 Uhr, terminiert. Anklage und Verteidigung wurden darauf hingewiesen, dass an diesem Tag möglicherweise auch die Plädoyers gehalten werden könnten. Für ein mögliches Urteil soll noch ein weiterer Verkündungstermin angesetzt werden.

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