Nachts verschwindet die Geschichte

WEDERATH. Jahrelang herrschte Ruhe am Archäologiepark Belginum. Doch nun treiben wieder lichtscheue Gestalten ihr Unwesen, die mit wilden Grabungen immense Schäden anrichten.

Des Nachts schleichen sie über die Felder, ausgerüstet mit teurem Gerät. Was sie samt Metalldetektoren und Nachtsichtgeräten in den Hunsrück lockt, ist der Archäologiepark Belginum, genauer das, was dort unter der Erde schlummert. Während die einen die schiere Sucht antreibt, haben die meisten den lukrativen Handel im Sinn. "Sie wollen einfach raffen, sie wollen verkaufen", macht Museumsleiterin Rosemarie Cordie mit ungewohnt harten Worten klar.Funde von höchster Bedeutung

Denn für die Archäologie ist die nächtliche Raubgräberei ein Desaster. "Sie stehlen uns unsere Vergangenheit – es ist Diebstahl", grenzt Cordie vor Vertretern der Morbacher Polizeiinspektion die Taten deutlich von Kavaliersdelikten ab. Die verursachten Schäden seien immens. Offensichtlich wird dies an Funden wie jahrhundertealtem Holz. Für den Laien lässt sich kaum erahnen, wie bedeutsam unscheinbare oder gar verkokelte Reste sein können. So haben für die älteste Stadt Deutschlands 2000 Jahre alte Eichenpfähle einen unschätzbaren Wert. Lassen diese doch auf das Gründungsdatum von Trier schließen. Denn sie belegen, dass die auf ihnen ruhende Brücke, die eng auf das Straßennetz der "Augusta Treverorum" abgestimmt war, 18/17 vor Christus gebaut wurde. Was die Erde über Jahrhunderte verwahrt hat, ist daher nicht nur für Archäologen von größter Bedeutung. Davon zeugt auch die in Belginum entdeckte Doppelkolben-Druckpumpe. Die "technische Meisterleistung" förderte mit großer Kraftanstrengung 35 Liter Wasser pro Minute auf 20 Meter hoch. "Das sind Dinge, die wir nur bei systematischen Grabungen erfahren", betont Cordie, dass wilde Grabungen diese unwiederbringlich vernichten. Rückschlüsse auf Lücken schließende kulturhistorische Informationen gehen so verloren. Nicht zuletzt bringen die Raubgräber auch die Bauern gegen den Archäologiepark auf. Kaum haben sie ihre Äcker gepflügt und eventuell schon eingesät, tun sich dort über Nacht riesige Löcher auf. Auch ein Hobby-Archäologe, der, allerdings nur bei Helligkeit, für das Museum Feldbegehungen macht, klage darüber.Dabei war nach Problemen vor vier, fünf Jahren Ruhe eingekehrt. Damals seien drastische Geldstrafen von einmal 1000 Mark verhängt worden, weiß Cordie. Außerdem wurde die Ausstattung sicher gestellt, wie sich Morbachs Polizeichef Peter Werland an dieses wirkungsvolle Mittel erinnert: "Metalldetektoren sind teuer." Künftig soll daher um Belginum kontrolliert werden. Mitarbeiter Friedhelm Schabbach will auch mit Landwirten sprechen. Diese könnten, wie Passanten oder Spaziergänger, Beobachtungen melden oder Kennzeichen notieren. Laut Cordie ist aber Vorsicht geboten, da vor Jahren ein Förster bedroht wurde, der Raubgräber auf frischer Tat ertappt hatte. Die Polizei sollte aber möglichst rasch informiert werden, da vor Ort gestellte Täter sich schwerlich heraus reden können.

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