Neue Amtsgerichts-Chefin will Türen öffnen
Großer Bahnhof im Amtsgericht Bernkastel-Kues: Der rheinland-pfälzische Justizminister Heinz Georg Bamberger hat die neue Direktorin Claudia Stadler offiziell ins Amt eingeführt.
Bernkastel-Kues. Eng war es am Mittwochmorgen im größten der drei Säle des Amtgerichts in Bernkastel-Kues. Die etwa 80 Frauen und Männer, die dort Platz nahmen beziehungsweise standen, warteten aber nicht auf ein Urteil in einem spektakulären Prozess. Sie waren Zeugen der offiziellen Amtseinführung der neuen Amtsgerichtsdirektorin. Claudia Stadler löst Gunther Nelles ab, der 20 Jahre lang an der Spitze der Behörde gestanden hatte.
Nelles wechselte zum Oberlandesgericht Koblenz. Dort ist er als Richter für Familiensachen zuständig. Er war 2007 in die Schlagzeilen geraten. Bei einer außerplanmäßigen Geschäftsprüfung waren Unregelmäßigkeiten festgestellt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelte 16 Monate lang wegen möglicher Urkundenunterdrückung. Das Verfahren wurde gegen Zahlung von 5000 Euro eingestellt (der TV berichtete). Nelles, der von "Intrigen" und "Denunziationen" sprach, gilt damit als unschuldig. Seinerzeit wurde aber bereits in Juristenkreisen spekuliert, dass seine Tage an der Spitze des Amtsgerichts gezählt seien.
Seine Nachfolgerin ist in Sachsen geboren und in Frankfurt (Main) aufgewachsen. 2003 kam sie nach Rheinland-Pfalz. "Der Liebe wegen", bekannte die 38-Jährige, die mit ihrem Mann in Newel (Kreis Trier-Saarburg) wohnt, dem TV. Das Amtsgericht Bernkastel-Kues kennt sie bereits. 2003 arbeitet sie dort ein halbes Jahr als Richterin. Weitere Stationen waren unter anderem das Landgericht Trier, das Oberlandesgericht Koblenz, das Amtsgericht Hermeskeil und das rheinland-pfälzische Justizministerium.
"Claudia Stadler ist eine kompetente, erfahrene und gerechte Richterin. Sie ist schnell, packt Probleme an und löst sie erfolgreich. Und sie hat Einfühlungsvermögen", sagte Justizminister Heinz Georg Bamberger. Dank ging an Gunther Nelles. "Fachkompetenz und große Erfahrung haben seine Arbeit geprägt", sagte der Minister.
Der als "Benimmratgeber" bekannte Freiherr Knigge habe vor mehr als 200 Jahren gesagt, dass Juristen an Buchstaben kleben, sagte Claudia Stadler. "Ich denke anders. Ich möchte die Menschen im Blick haben, die ihr Anliegen vorbringen. Ich möchte Recht und Gesetz verständlich machen." Die Leute sollten ruhig reden, "wie ihnen der Schnabel gewachsen ist". Sie könne zwar den Dialekt nicht sprechen, verstehe ihn aber mittlerweile. "Das hat bei manchem verunsicherten Zeugen Türen geöffnet", sagte sie. Ihr Anliegen sei es auch, vor allem jungen Leuten zu vermitteln, dass es im Gericht anders zugehe als bei den Richtersendungen im Fernsehen. Extra Amtsgericht: Die circa 30 Mitarbeiter sind für die Verbandsgemeinden Bernkastel-Kues, Traben-Trarbach, Neumagen-Dhron sowie die Einheitsgemeinde Morbach zuständig. In diesem Gerichtsbezirk wohnen mehr als 50 000 Menschen. Das Amtsgericht ist unter anderem für Zivil- und Familiensachen, Bußgeldverfahren sowie Strafsachen (Einzelrichter, Schöffengericht, Jugendschöffengericht) zuständig. 2009 wurden nach Angaben von Geschäftsleiter Roland Klingel etwa 1000 Strafverfahren verhandelt. Bei Familiensachen, zum Beispiel Scheidungen, waren es circa 350 (Tendenz steigend). Circa 700 Mal pro Jahr wird wegen Forderungen und Nachbarschaftsstreits verhandelt und geurteilt. Pro Jahr werden außerdem 5000 bis 6000 Grundbuchvorgänge bearbeitet. (cb)