Neuer Prozess, alte Widersprüche

Wittlich/Trier · Ungereimtheiten und Widersprüche: Auch im zweiten Anlauf im Prozess vor dem Landgericht um einen Axt- und Messerangriff gibt es unterschiedliche Versionen über den Tatablauf. Einem 30-Jährigen aus Wittlich wird gefährliche Körperverletzung und versuchter Totschlag vorgeworfen.

Wittlich/Trier. Es gibt Momente im Leben, da fragt man sich: "Was wäre, wenn?" Im Sitzungssaal 66 des Trierer Landgerichts drängt die Frage sich am Donnerstag förmlich auf. "Warum in Gottes Namen sind Sie zu dem Angeklagten gefahren?", fragt Richter Armin Hardt das mutmaßliche Opfer, das am Abend des 26. Mai 2013 einen Messerstich in den Rücken bekam: "Hätten Sie das mal besser sein gelassen, dann würden wir heute nicht hier sitzen!"
Und der Angeklagte wiederum säße wohl längst nicht mehr in U-Haft, wenn er an jenem verhängnisvollen Abend nach dem Besuch des 29-Jährigen einfach zu Hause geblieben wäre. "Das war mein Fehler", gibt sich der 30-Jährige einsichtig. Er hätte sich viel Ärger erspart.
Stattdessen ist er seit Ende Mai 2013 inhaftiert. Eine lange Zeit, die sich auch dadurch erklärt, dass der Prozess ausgesetzt wurde und nun von neuem beginnt (siehe Extra). Klarer wird die Sachlage dadurch aber noch lange nicht. Denn auch im zweiten Anlauf gibt es zahlreiche Unklarheiten und Widersprüche, was sich an jenem Abend abgespielt hat. Einig sind sich der Angeklagte und der 29-jährige Zeuge nur darin, dass sie sich nicht einig sind: Auf der Säubrennerkirmes 2012 kam\'s zur Schlägerei. Eine Frauengeschichte. Vielleicht. So richtig nachvollziehbar ist das nicht, beide waren damals längst anderweitig liiert. Der 29-Jährige erhielt danach angeblich Besuch von Männern, die ihm drohten, zuletzt im April 2013. Er glaubte, der Angeklagte stecke dahinter - um diesen zur Rede zu stellen, sei er an jenem 26. Mai mit einem Kumpel zu dessen Haus gefahren. Der Kumpel blieb im Auto, die beiden Streithähne gingen in die Garage. Doch wieder flogen die Fäuste. Der Kumpel ging dazwischen. Und plötzlich war eine Axt im Spiel. Wer diese zuerst in die Hand nahm? Eine von vielen strittigen Fragen. Unstrittig ist, dass der Kumpel schließlich eine Schnittwunde am Bein hatte, zugefügt vom Angeklagten. Letzterer sagt, er habe lediglich einen Angriff abgewehrt.
Ähnlich wie ein paar Stunden später, als die Auseinandersetzung eine Fortsetzung im Industriegebiet fand, beide Seiten hatten Unterstützung mitgebracht. Wieder zogen sich die Streithähne zurück, um den Streit zu klären. Ohne Erfolg. Wer das Messer dabei hatte, das im Rücken des 29-Jährigen landete? Der im Kampfsport versierte Angeklagte beteuert, den Angriff seines Gegenübers lediglich abgewehrt zu haben, das Messer sei versehentlich in dessen Rücken gelandet. Sein Kontrahent dagegen berichtet, der 30-Jährige habe mehrfach versucht zuzustechen. Augenzeugen gibt es nicht. Es wird ein schwieriges Unterfangen sein, die Wahrheit zu ermitteln.Extra

Als der Prozess im Oktober begann, lautete der Vorwurf auf "gefährliche Körperverletzung". Ende November tauchte zufällig in einem anderen Strafverfahren gegen einen Bekannten des Angeklagten der Mitschnitt eines Telefongesprächs auf: Der 30-Jährige hatte diesen am Tatabend angerufen, nachdem seine mutmaßlichen Opfer ihn zu Hause aufgesucht hatten. In dem Mitschnitt ist zu hören, wie der Angeklagte sagt: "Man sollte diese zwei Idioten mit der Axt erschlagen." Womöglich ein Indiz dafür, dass er einen Tötungsvorsatz hatte: Deswegen steht inzwischen der Verdacht des versuchten Totschlags im Raum. Die Verteidigung beantragte daraufhin eine Aussetzung des Verfahrens, das deswegen nun komplett neu aufgerollt wird. neb

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