Landwirtschaft Wie viel Dünger verträgt die Wittlicher Senke?

Mainz/Wittlich/Sehlem · Im Streit über zu hohe Nitratwerte im Grundwasser der Wittlicher Senke deutet sich eine Lösung an. Wie Landes-Umweltministerin Ulrike Höfken sagt, sollen bald differenziertere Ergebnisse zum Zustand des Grundwassers vorliegen, was die Bauern hoffen lässt.

  Der Sehlemer Landwirt Hans-Peter Lehnen (links im Bild)  und Kreisbauernchef Manfred Zelder an der Nitratmessstelle Sehlem, die ihrer Meinung nach fehlerhafte Messwerte liefert. Die als zu hoch eingestuften Nitratwerte sollen Landwirte künftig dazu zwingen, noch weniger Dünger einzusetzen.

Der Sehlemer Landwirt Hans-Peter Lehnen (links im Bild)  und Kreisbauernchef Manfred Zelder an der Nitratmessstelle Sehlem, die ihrer Meinung nach fehlerhafte Messwerte liefert. Die als zu hoch eingestuften Nitratwerte sollen Landwirte künftig dazu zwingen, noch weniger Dünger einzusetzen.

Foto: dpa/Carsten Rehder

Als einen Tausende Jahre alten Schatz, auf den gut aufzupassen sei, bezeichnet  die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken  unser Grundwasser. Doch die Grundwassersituation sei deutschlandweit „prekär“, sagt Höfken. Auch im Landkreis Bernkastel-Wittlich sind die Nitratwerte, wenn die offiziellen Messwerte der Realität entsprechen – was viele Landwirte bezweifeln, stellenweise zu hoch. Die Landwirte halten die vom Umweltministerium ermittelten Nitratmesswerte  vielerorts für fehlerhaft.

Und das hat seine Gründe: Bei genauem Hinsehen fanden Landwirte in Sehlem eine Nitratmessstelle, die ihrer Meinung nach einem „Drecksloch glich, in dem Insekten brüteten, und wo seit Jahren Oberflächenwasser eingedrungen“ sei, da sie nicht ordnungsgemäß abgedichtet gewesen sein soll (unsere Zeitung berichtete).

Für die 80 Landwirte, die über diesem Grundwassergebiet in der Wittlicher Senke arbeiten, kommt die Veröffentlichung der in Sehlem gemessenen Nitratwerte deshalb einer Märchenstunde gleich. „Die in Sehlem gemessenen Nitratwerte können unmöglich aus der Landwirtschaft stammen“, sagt Kreisbauernchef Manfred Zelder.

Doch es sind genau diese in Sehlem gemessenen und als zu hoch eingestuften Nitratwerte, die das Ministerium den Bauern vorhält. Und die Verschärfung der Düngeverordnung, die Landwirte über hoch belasteten Grundwasserkörpern ab dem 1. Januar 2021 umsetzen müssen, wird sie  dazu zwingen, weniger Gülle und Kunstdünger auf ihre Felder auszubringen. Aber weniger Dünger bedeutet geringere Erträge und weniger Einkommen, klagen die Bauern.

Sie sind überzeugt: Würde man sich für den Grundwasserkörper „Salm 2“ einen anderen Messpunkt suchen,  dann sähe das Ergebnis völlig anders aus:  „Die gemessenen Werte in Grundwasserbrunnen von Landwirten der Umgebung zeigen nur minimale Nitratbelastungen zwischen vier bis sechs Milligramm pro Liter. Die Messstelle in Sehlem mit Werten von mehr als 90 Milligramm pro Liter liefert fehlerhafte Nitratwerte und muss weg“, sagt  Kreisbauernchef Manfred Zelder.

Umweltministerin Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken sieht das völlig anders. Sie sieht keinen Grund an der Plausibilität der Nitratwerte, die in Sehlem gemessen werden, zu zweifeln. Die Messstelle sei zwischenzeitlich wieder ordnungsgemäß abgedichtet worden, sagt die Umweltministerin.  Zudem gewährleiste die  Vorgehensweise bei der Untersuchung, bei der zunächst das stehende Wasser aus dem Rohr der Messstelle abgepumpt werde, dass die Ergebnisse belastbar seien. Die Messstelle in Sehlem liefere bereits seit Jahren konstant zu hohe Nitratwerte im Grundwasser. Das gleiche gilt übrigens auch für die Ergebnisse von Messpunkten vieler umliegender Grundwasserkörper, die ebenfalls zu hohe Nitratwerte liefern. Doch wie die Ministerin durchblicken lässt, könnte sich eine Lösung andeuten, die beide Seiten zufrieden stellen könnte. Das Stichwort dazu heißt „Modellierung“. Dabei geht es um eine Neuberechnung der Nitratbelastung. Diese neue Methodik soll einen differenzierteren Blick auf den Zustand von Grundwasserkörpern erlauben. Derzeit werden beide Grundwasserkörper über der landwirtschaftlich intensiv genutzten Fläche der Wittlicher Senke als „rot“ und somit „chemisch hoch belastet“  eingestuft.

Doch mit der Modellierung könnte sich das für die Landwirte zum Positiven verändern. Dann könnten aus „roten“ wieder „grüne“ Zonen werden – zumindest stellenweise, erklärt Höfken. In diese Neuberechnung der Nitratbelastung sollen nicht nur die gemessenen Nitratwerte einfließen. „Es geht dabei auch darum, was auf den Gebieten an Dünger eingebracht wird. Das ist eine Neubewertung der Situation“, erklärt Höfken.

In Rheinland-Pfalz wird derzeit ein Drittel aller 117 Grundwasserkörper als „rot“ und damit als chemisch in einem schlechten Zustand eingestuft.

 Landwirte an der Nitrat-Messstelle Foto: Christian Moeris

Landwirte an der Nitrat-Messstelle Foto: Christian Moeris

Foto: TV/Christian Moeris

Bauern Die Neuberechnung der Nitratbelastung gibt den Landwirten zwar Hoffnung, „aber trotz der Modellierung und neuen Berechnungsmethode, die andere Bundesländer schon längst umgesetzt haben, werden die fehlerhaften Messwerte aus Sehlem die Ergebnisse verfälschen“, sagt Kreisbauernchef Zelder. Sollte die Messstelle nicht geschlossen werden, dann werde der Bauern- und Winzerverband Klage einreichen. Zudem strebe man eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die für die Messstelle Sehlem zuständigen Kontrolleure und Behördenvertreter, „zu denen auch die Umweltministerin gehört“ an.

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