Nur ein Bauwerk ist geblieben

Ein Fest für die ganze Stadt war 1910 die Einweihung der Synagoge. Seit 1938 ist sie kein Gotteshaus mehr. 2010 erleben 150 Menschen im steinernen Zeugen des jüdischen Lebens in Wittlich eine Ausstellungseröffnung zur Geschichte des Gebäudes als würdigen Festakt.

 Großes Interesse, nachdenkliche Gesichter, feierlicher Auftakt: Die Ausstellung 100 Jahre Synagoge Wittlich ist eröffnet. TV-Foto: Klaus Kimmling

Großes Interesse, nachdenkliche Gesichter, feierlicher Auftakt: Die Ausstellung 100 Jahre Synagoge Wittlich ist eröffnet. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Einem Herz aus Stein gleich ist sie übrig geblieben, die ehemalige Synagoge in Wittlichs Himmeroderstraße.

Sie zeugt von der kurzen Blütezeit jüdischen Lebens zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, aber auch von Bürgern, die misshandelt, vertrieben, deportiert, getötet wurden. 100 Jahre ist das Gebäude alt. Ein Jubiläum, das nicht zum Jubeln einlädt, sondern zum Nachdenken. Das sagt Reinhold Bohlen.

Der Direktor des Emil-Frank-Instituts steht am Rande der halbkreisförmigen Nische, die heute Bühne ist, ehemals Platz des Thoraschreins. Er spricht über die vom Emil-Frank-Institut konzipierte Ausstellung zum Jubiläumsjahr, die in der Synagoge über dieselbe informiert.

Zitate als Denkanstöße und berührende Musik



Er sagt: "Dabei begegnen wir vor allem Menschen, die diesem Bauwerk ihren Stempel aufgedrückt haben." Es ist notwendiger Weise eine Begegnung aus zweiter Hand: etwa über den Umweg vieler erstmals ausgestellter Dokumente. Eine Ausnahme macht die Medienstation: Das ist ein Computer, der Interviews mit Zeitzeugen abspielt. Ähnlich unmittelbar und berührend spricht beim Festakt stellvertretend für die Menschen, die in Wittlich keine Zukunft hatten, die Musik.

So steigt von der Bühne drachengleich ein einsamer Celloklang (Moritz Reutlinger) empor bis eine Klaviernote (Martin Bambauer) ihn einfängt.

Das Publikum lässt nach jedem Musikstück Raum für Stille, bevor es applaudiert. Vielleicht hat die Musik spüren lassen, wie einst der steinerne Raum, in dem alle sitzen, lebte: von den Menschen, die ihn als ihr Gotteshaus errichteten.

Daran erinnern alle Festredner. Bürgermeister Joachim Rodenkirch mahnt zu Toleranz und Menschlichkeit über religiöse Grenzen hinweg. Und Benz Botmann, Jüdische Kultusgemeinde Trier, zitiert den 1999 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis. Er hatte in Wittlich gesagt: "Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung."

Ein Traum, der tragisch endet



Auch Peter Waldmann, Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz, schließt mit einem Zitat eines Deutschen, der Jude war: Heinrich Heine. "Ich hatte einst ein schönes Vaterland (...). Es war ein Traum. Das küsste mich auf deutsch, und sprach auf deutsch - Man glaubt es kaum wie gut es klang - das Wort: Ich liebe dich! - Es war ein Traum."

Der Abend schließt als Gelegenheit zur Begegnung: Begegnung mit der Geschichte des Gebäudes, aber vor allem der Menschen untereinander, die gekommen sind, das Jubiläum zu würdigen. Und wie dasselbe Brücken schlägt, zeigen Andrea Heidecke und Kristina Gläsener. Die Studentinnen haben das Modell der Synagoge erstellt, ein Herzstück der Ausstellung. Sie sagen: "Wir kennen quasi jeden Zentimeter des Gebäudes. Es war wirklich eine besondere Arbeit. Wir haben darüber vieles über das Judentum kennengelernt."

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