Nur ein Schulanfänger in Veldenz

Bernkastel-Wittlich · 876 Mädchen und Jungen (Vorjahr 955) werden im Kreis Bernkastel-Wittlich im Sommer Erstklässler. Es gibt enorme Unterschiede bei den Anmeldungen. Doch Angst davor, dass sich Schultüren entgültig schließen, hat niemand.

Bernkastel-Wittlich. Der erste Schultag ist für ein Kind, seine Eltern und Großeltern ein ganz besonderer Moment. An der Grundschule in Veldenz wird es Mitte August nach Ende der Sommerferien sogar ein außergewöhnlicher Tag werden. Nach jetzigem Stand wird nur ein Kind eingeschult und damit ganz alleine im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.Der kleine Mann oder die kleine Frau wird es gleich in einer Kombiklasse mit den Zweitklässlern zu tun bekommen. Die Schülerzahl (derzeit 33) wird auch insgesamt schrumpfen, weil vermutlich acht Jungen und Mädchen zu weiterführenden Einrichtungen wechseln.Bürgermeister bleibt gelassen

Rektorin Petra Hahn, die auch die weitaus größere Grundschule (85 Schüler) im drei Kilometer entfernten Mülheim leitet, macht sich trotzdem keine Sorgen. "Das ist ein Durchhänger, aber nicht beunruhigend", sagt Hahn. Ortsbürgermeister Norbert Sproß denkt ähnlich. "Ich sehe das gelassen und habe keine Befürchtungen", sagt er. Im Moment muss er die auch nicht haben. 2014 sind nach Angaben der VG-Verwaltung Bernkastel-Kues 17 Kinder Kandidaten für die Einschulung, 2015 werden es neun sein, 2016 dann 13. Die Kindertagesstätte sei mit mehr als 40 Jungen und Mädchen hervorragend ausgelastet, und im Neubaugebiet hätten sich viele junge Familien angesiedelt, sagt Sproß. Nicht übersehen werden kann allerdings, dass die Veldenzer Grundschule auch für Burgen und Gornhausen und damit für etwa 2000 Bürger zuständig ist. Wie schnell Gelassenheit in Frust umschlagen kann, zeigt das Beispiel der Grundschule im Weinort Ürzig. Die wurde im Jahr 2007 mangels genügend Schüler geschlossen. Die Mindestgröße einer Schule liege bei etwa 30, hieß es damals vom zuständigen Regierungsschuldirektor. Die Veldenzer Schule stünde somit auf der Kippe. Aber sie wäre nicht die einzige. Im Hunsrückort Gutenthal, zuständig für Gutenthal, Odert, Weiperath und Hunolstein, werden derzeit jeden Tag nur 28 Kinder begrüßt. Es sind allerdings acht ABC-Schützen angemeldet."Es ist ein ständiges Auf und Ab", sagt Irmgard Wagner, Leiterin der Grundschulen in Gutenthal und Morscheid. Es sei nicht möglich, eine Aussage über die Zukunft zu treffen. Ziel sei es aber, kleine Schulen zu erhalten. Die Schulaufsicht, bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier angesiedelt, hat derzeit keine Pläne für Schließungen. "Sie wird nicht von sich aus an die Träger wegen der Schließung von Grundschulen herantreten", sagt Bernhard Herbrand. Nach wie vor gelte: Kurze Beine, kurze Wege. Dabei sind die Zahlen nicht dramatisch, denn im aktuellen Schuljahr liegt die Zahl der Erstklässler noch bei 955.Herbrand zeigt auf, was möglich ist: "Im Landkreis Cochem-Zell gibt es schon zwei Schulen mit vier Schuljahren in einer Klasse. Die Schulträger werden von sich aus nicht tätig. "Wir versuchen alles, um die Grundschulen zu erhalten", sagt Ulf Hangert, Bürgermeister der VG Bernkastel-Kues. Mittelfristig könne man aber nicht ausschließen, dass es zu Schließungen komme, wenn die Schülerzahl dramatisch sinke. Hangert ist aber gar nicht so pessimistisch, was die Bevölkerungsentwicklung angeht. Das Leben auf dem Land sei für viele Leute attraktiver als das Dasein in der Großstadt."Wir wollen unsere vier Schulstandorte nach Möglichkeit erhalten", sagt Andreas Hackethal, Bürgermeister der Einheitsgemeinde Morbach, "aber natürlich müssen wir die Entwicklung beobachten." Zu den Anstrengungen der Gemeinde (11 000 Einwohner) gehöre unter anderem, dass mehr als eine Million Euro in den Ausbau von sieben Kindertagesstätten investiert wird (der TV berichtete). Meinung

Grundschulen sind Grundversorgung In der Fläche verteilte Grundschulen erscheinen zunächst wie Luxus - umso mehr, wo mancherorts nicht einmal ganze Klassen zustande kommen. Trotzdem spricht einiges dafür, die vorhandenen Strukturen nicht einzureißen (wahrscheinlich unwiederbringlich): Den ja doch noch vorhandenen Kindern sind anstrengende Fahrten in weit entfernte Schulzentren nicht so ohne weiteres zumutbar. Das wissen auch junge Familien, die heute umso genauer prüfen, wo sie sich überhaupt niederlassen. So sind neben den Kitas die Grundschulen unerlässliche Standortfaktoren für jede Gemeinde, die nicht ihrer Überalterung entgegenschrumpfen will. f.goebel@volksfreund.de Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und eine Grundschule fast ohne Schüler schützt kein Dorf vor den Folgen des demografischen Wandels. So verständlich der Kampf um jede Einrichtung ist, so hoffnungslos ist er auch. Erschreckend am Umgang des Landes mit schrumpfenden Zwergschulen ist, dass der Slogan "Kurze Beine, kurze Wege" kein Konzept ist. Er ist nur eine Umschreibung für Durchgewurschtele, bis es irgendwo gar keine Schüler mehr gibt. Besser wäre ein mittelfristiger Plan, der absehbare Schließungen terminiert und eine Stärkung bestimmter Standorte frühzeitig ins Auge fasst. Das würde Planungssicherheit und eine tragfähige Grundschullandschaft schaffen. l.ross@volksfreund.de

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