Ohne erhobenen Zeigefinger

WITTLICH/MANDERSCHEID/DAUN. Schwangerschaft und Sexualität werfen viele Fragen auf. Um Frauen zu unterstützen, bietet auch das evangelische diakonische Werk Beratung an. In Wittlich und Daun nun seit fünf Jahren. Beim heutigen Festakt im Manderscheider Kurhaus referiert die preisgekrönte Theologin Christiane Kohler-Weiß.

Die Beratungen der Diakonie stehen jedem und jeder offen. Unabhängig von der Glaubenszugehörigkeit der Ratsuchenden beantworten die im Augenblick nur zwei, demnächst wieder drei Mitarbeiterinnen sämtliche Fragen rund um Sexualität und Schwangerschaft. Viele Frauen freuen sich auf ihr Baby, für andere dagegen stellt die Schwangerschaft ein Problem dar. Hilfe für 1000 Schwangere

Für solche Frauen gibt es die Konfliktberatung. Nachdem sich die katholische Kirche vor fünf Jahren entschieden hatte, keine Beratungsscheine mehr für Schwangerschaftsabbrüche auszustellen, hat die Diakonie diese Lücke gefüllt. In Wittlich berät unter anderem Diplom-Pädagogin Hilde Hammel für die Organisation der evangelischen Kirche. Beraterinnen akzeptieren jede Entscheidung

Seit der Eröffnung im Jahr 2001 hat sie mit ihren beiden Kolleginnen knapp 300 Schwangerenberatungen und 580 Schwangerenkonfliktberatungen geleistet. "Für mich ist diese Arbeit so etwas wie ein Traumjob", sagt Hammel, die auf die Stellenausschreibung 2001 sofort reagierte - und den Zuschlag erhielt. Die Rat suchenden Frauen vereinbaren einen Termin, kommen in die Beratungsstellen, und wenn es sein muss, fahren Hammel und Kollegen auch mal zu ihnen nach Hause. Nicht jede ist motorisiert, und nicht jede hat immer einen Babysitter zur Hand. "Die Schwangere bestimmt dabei das Setting." Das heißt: Mal kommen die Mädchen und Frauen allein und heimlich, mal mit Mann, Freund, Freundin, mit Eltern und Geschwistern, mal in einer Gruppe - wie die Schwangere sich am sichersten fühlt. Höchste Priorität hat stets eine angstfreie Atmosphäre für die Schwangere, damit sie ihre folgenschwere Entscheidung so fällen kann, dass sie für sie selbst lebbar und verantwortbar ist. Die Beraterinnen akzeptieren dabei jede Entscheidung und bieten weitere Anlaufstellen an, mit denen sie eng kooperieren: beispielsweise Schuldner-, Ehe-, Flüchtlings- oder Suchtberatungen. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Präsenz in Mädchen- und Frauenarbeitskreisen sowie die Sexualpädagogik. Hierzu gehören Fortbildungen für Erzieherinnen und altersgerechte Präventionskurse, die gerne von Jugendzentren, Schulen und Konfirmandengruppe gebucht werden. Ein neuer Babysimulator vereinfacht die Kontaktaufnahme zu Jugendlichen aller Schultypen. "Die Nachfrage auf diesem Gebiet nimmt deutlich zu", beobachtet Hilde Hammel. Zu nehmen, trotz aller Aufklärung, auch die ungeplanten Schwangerschaften bei Jugendlichen und jungen Frauen, was für das Team die Frage nach den gesellschaftlichen und persönlichen Ursachen aufwirft. Heute wird jedoch nicht debattiert, heute wird gefeiert. Zum Festakt in Manderscheid hat Hilde Hammel "eine ganz tolle Frau" als Rednerin gewonnen: Christiane Kohler-Weiß ist Pfarrerin in Süddeutschland, Mutter dreier Kinder und eine Kapazität in der evangelischen Kirche. Für ihre Promotionsarbeit im Fach Theologie über den Schwangerschaftsabbruch hatte sie den Hanna-Jursch-Preis der Evangelischen Kirche Deutschlands erhalten. Darin beleuchtet sie ohne erhobenen Zeigefinger den Schwangerschaftskonflikt aus Sicht der Frauen, auf deren Schultern Druck aus unterschiedlichsten Richtungen lastet, wenn sie sich die Frage nach pro oder contra Baby stellen. Eine Ethik, die das soziale Erleben schwangerer Frauen ignoriere, sei weder sinnvoll noch sachgemäß, sagte Kohler-Weiß bei der Preisverleihung. ZUM THEMA: Im Manderscheider Kurhaus wird die Theologin Christiane Kohler-Weiß heute, 31. Mai, um 19 Uhr zum Thema "Das Spezifische der Menschwerdung - eine evangelische Ethik der Schwangerschaft" sprechen. Der Eintritt ist frei. Im Anschluss gibt es einen Umtrunk.

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