Pastor verbietet "Die blonde Hexe"

Klausen · Mit seinen Eltern hat Heinz Maes in den 1950er Jahren in Sälen und Gasthäusern Kinofilme gezeigt. Mit der Leinwand auf dem VW- Bus zog die Familie von Dorf zu Dorf, um die Schwarz-Weiß-Streifen vorzuführen.

 In Sälen wie diesem im Haus Gimmler/Westhöfe hat Heinz Maes mit seinem Vater die großen Klassiker der Kinogeschichte auf die Leinwand gebracht. Auch Casablanca durfte da natürlich nicht fehlen. TV-Foto: Christina Bents

In Sälen wie diesem im Haus Gimmler/Westhöfe hat Heinz Maes mit seinem Vater die großen Klassiker der Kinogeschichte auf die Leinwand gebracht. Auch Casablanca durfte da natürlich nicht fehlen. TV-Foto: Christina Bents

Klausen. Marlon Brando, Horst Buchholz, Garry Cooper oder Karin Baal - die Schauspieler der 1950er Jahre sind nicht nur Kinofreunden bis heute ein Begriff. Western-, Heimat- und Monumentalfilme waren damals angesagt. Heinz Maes hat viele von ihnen als Zwölfjähriger auf die Leinwand gebracht. Damals hatte sein Vater Ludwig Reznyak die Idee, mit einem Wanderkino über die Dörfer zu ziehen.
Von Hetzerath bis Salmrohr


Da der Vater durch eine Kriegsverletzung halbseitig gelähmt war und nur noch einen Arm hatte, haben seine Frau Engelie und sein ältester Sohn Heinz bei der Umsetzung geholfen. Engelie, die erste Frau in Klausen mit Führerschein, lenkte den blauen VW-Bus von Klausen nach Heidenburg, Berglicht, Klüsserath, Hetzerath oder Salmrohr. Heinz lernte das Filmvorführen von Bernhard Walldorf aus Trittenheim.
Die Filme kamen per Nachnahme mit der Bahn, in Salmrohr mussten sie abgeholt werden. Heinz Maes erinnert sich: "Einmal hatten wir kein Geld mehr, um den Film abzuholen, da haben wir die Leute erst einmal in den Saal gelassen und Eintritt kassiert, bis wir genug Finanzmittel hatten, um den Film auszulösen." Vor 50 bis 100 Zuschauern wurden die 16-Millimeter-Streifen gezeigt, darunter "Das Lied der Bernadette", Western mit Garry Cooper, "Ben Hur" und Heimatfilme wie "Und ewig singen die Wälder".
Die Säle waren damals meist holzvertäfelt und wurden mit einem großen Bollerofen beheizt. Auf der einen Seite stand die Leinwand, die auf dem Dach des familieneigenen VW-Busses zum Spielort transportiert wurde. Auf der anderen Seite waren zwei Tische mit dem Abspielgerät, einem Siemens 2000, und ein Plattenspieler, auf dem oft Freddy Quinn mit Seemannsmelodien zu hören war, bis der Film startete.
Vertauschte Rollen


"Einmal", berichtet der heutige Architekt "war nur eine Zuschauerin im Vorführraum, und mein Vater fragte, was denn hier los sei. Die Frau im Saal erklärte uns, dass der Pastor im Gottesdienst verboten habe, den Film "Die blonde Hexe" anzusehen. Dabei war es bloß ein harmloser Heimatfilm", wie Maes erklärt. Der Film "Endstation Sehnsucht" hat den Hetzerathern damals nicht gefallen: "Was war das ein blöder Film", sagten sie. Was sie aber nicht wussten: Der junge Filmvorführer hatte die Rollen vertauscht und das Ende des Films war in der Mitte zu sehen und der Mittelteil zum Schluss.
Zwei Jahre führte die Familie Filme vor, dann wurde die Konkurrenz zu groß. Ludwig Reznyak überlegte sich eine andere Einnahmequelle und fuhr dann mit Unterwäsche zum Markt und zog mit Gemüse statt Filmrollen übers Land.

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