Medizin Es gibt kein Cannabis auf Station 41

Von Christian Moeris · Eine Patientin des Verbundkrankenhauses Wittlich ist sauer: Sie sagt, ihr sei dort ein zugelassenes Medikament aus Cannabis verwehrt worden, bis sie massiv protestiert habe.

 Ein Arzneimittel aus Cannabis verschafft einer jungen Frau aus der Eifel, die unter einer psychischen Krankheit leidet, Linderung. Sie sagt, sie habe hart dafür kämpfen müssen, damit man es ihr im Wittlicher Krankenhaus verabreicht. 

Ein Arzneimittel aus Cannabis verschafft einer jungen Frau aus der Eifel, die unter einer psychischen Krankheit leidet, Linderung. Sie sagt, sie habe hart dafür kämpfen müssen, damit man es ihr im Wittlicher Krankenhaus verabreicht. 

Foto: Christian Moeris

Menschen, die mit Cannabis in der Tasche am ZOB in Wittlich erwischt werden, was nicht gerade selten passiert, handeln sich meist ein Strafverfahren ein (der TV berichtete). Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Deutschen Cannabis nach wie vor ausschließlich als Rauschmittel und illegale Droge betrachten. Dabei wird Hanf in verschiedenen Kulturen seit Jahrtausenden als Arzneimittel verwendet. In Deutschland ist die Pflanze seit 2011 als Arzneimittel zugelassen. Doch selbst acht Jahre später klagen viele Patienten in Deutschland darüber, dass es Probleme bei der Verschreibung von Cannabis-Medikamenten gibt.


Januar 2019: Eine Patientin, die seit mehr als einer Woche im Krankenhaus Wittlich in der Orthopädie liegt, und sich dort wegen Schmerzen an ihrer Bandscheibe behandeln lässt, wartet auf ihre Operation. Doch sie hat nicht nur Probleme mit der Bandscheibe: „Mein Arzt verschreibt mir seit neun Monaten Cannabis, das ich wegen einer psychiatrischen Erkrankung und psychosomatischen Schmerzen im Nacken und Rücken nehme. Aber hier im Krankenhaus werde ich deshalb wie ein Junkie behandelt“, klagt die Patientin dem TV-Reporter, der an ihrem Krankenbett sitzt.

Sie habe sich dieses Medikament selber mit ins Krankenhaus gebracht, wo sie nun schon mehr als eine Woche liege. Doch vor vier Tagen habe sie das kleine braune Fläschchen „Dronabinol“ bis zum letzten Tropfen geleert. Eine neue Flasche ihrer Cannbis-Medizin habe man ihr im Krankenhaus Wittlich aber nicht geben wollen, sagt die Eifelerin. „Die Ärzte waren nervös und haben sich gefragt, ob sie mir das aufschreiben dürfen. Mein Eindruck war, dass sie wenig über Cannabis als Medikament wissen und sich so benommen haben, als hätte ich Sprengstoff mit ins Krankenhaus gebracht“, sagt die junge Frau, die beinahe vor Wut schnaubt.

Stattdessen hätten ihr die Ärzte nur ein herkömmliches Schmerzmittel aus der Klasse der Opioide und ein Antidepressivum verabreicht. „Mein Cannabis-Medikament wollten sie mir nicht aufschreiben.“ Innerhalb eines Tages habe sich ihr psychischer Zustand derart verschlechtert, sagt die junge Frau, dass sie Angst vor einem Nervenzusammenbruch bekommen habe. Ihre Ängste, Muskelverspannungen und Zuckungen in den Beinen, Nebenwirkungen anderer Medikamente, hätten sich verstärkt.

„Aber hier hat man mich scheinbar für einen Drogensüchtigen gehalten, der an seinen Stoff kommen wollte.“ Sie habe den Ärzten gesagt: „Ich bin zwar hier wegen meiner Bandscheibenschmerzen, aber dennoch habe ich eine psychische Erkrankung und benötige mein Medikament. Muss ich mir mein Medikament dafür selbst mit ins Krankenhaus bringen?“

Ihr Freund, der ebenfalls am Krankenbett sitzt, erklärt: „Es kann nicht sein, dass es ihr im Krankenhaus schlechter geht als draußen. Es gibt keinen Grund ihr das Medikament zu verweigern. Es ist zugelassen .“

Deshalb habe sie mächtig Rabatz gemacht, sagt die Patientin. „Ich bin richtig bösartig geworden und habe verlangt, dass man mir das Medikament gibt.“ Ihr massiver Protest scheint Wirkung gezeigt zu haben: „Sie glauben es nicht“, sagt sie. „Aber plötzlich war es da und sogar innerhalb von zwei Stunden.“

Einen Tag nach ihrer letzten Dosis, sie nehme täglich vier mal sechs Tropfen, sei ihr das Cannabis-Medikament also letztlich doch im Wittlicher Krankenhaus verabreicht worden. „Für sie war das eine riesige Tortur“, sagt ihr Freund. „Es sollte doch kein Mensch Schmerzen ertragen, wenn es vermeidbar ist.“ Das ist die eine Seite der Geschichte.

Der TV hat auch die Krankenhausleitung um Auskunft gebeten, zum vorgetragenen Fall Stellung zu beziehen. Doch die ärztliche Schweigepflicht und der Datenschutz, erklärt Pressesprecherin Sabine Zimmer, mache das unmöglich. Zum Thema Cannabis-Arzneimittel könne man nur allgemeine Informationen geben. Zimmer erklärt, dass die ärztlichen Kollegen in der Klinik sowie im niedergelassenen Bereich der Belegabteilung der Orthopädie Fortbildungsveranstaltungen zu diesem Thema besucht hätten.

Dr. med. Michael Zimmer, leitender Oberarzt der Schmerztherapie und Palliativmedizin, erklärt: „In der begleitenden Behandlung bei lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität erheblich einschränkenden Erkrankungen setzen wir Cannabis-basierte Medikamente schmerztherapeutisch und palliativmedizinisch mit sehr guten Erfahrungen ein.“

Doch die psychische Erkrankung der Patientin, die selbst sagt, dass bei ihrer Erkrankung eine Cannabismedikation eher ungewöhnlich sei, passt da nicht ganz ins Bild. Denn Cannabis wird vielmehr damit in Zusammenhang gebracht, psychische Krankheiten auszulösen, als solche zu heilen. Das sei bei ihr aber nicht der Fall, sagt die Patientin. „Alles, was man glaubt, von Cannabis zu bekommen, geht bei mir davon weg.“ Sie sei zuvor auch ein absoluter Cannabisgegner gewesen, sagt die Eifelerin. „Aber ich habe Berichte darüber gelesen und deshalb einen ersten Joint geraucht. Das hat gestunken wie ein Bock, aber danach ging es mir viel besser. Das ist der Wahnsinn.“ Im Vergleich zu dem Dutzend anderer Psychopharmaka, den Ärzte (Anmerkung der Redaktion: Das geschah nicht im Krankenhaus Wittlich) an ihr ausprobiert hätten, zeige Cannabis bei ihr keine Nebenwirkungen. So sieht es auch ihr Freund: „Es ist erstaunlich, wie viele Medikamente Ärzte an ihr ausprobiert haben, als wäre sie ein Versuchskaninchen. Über Cannabis scheinen sie nicht viel zu wissen. Denn wenn sie dieses Medikament nimmt, ist sie ruhig, lieb, nett und hat Freude im Leben.“ Es schalte viele ihrer psychischen Probleme aus, sagt die junge Frau, die meint, dass viele Ärzte über den Nutzen cannabisbasierter Arzneimittel noch nicht ausreichend informiert seien. „Patienten, denen das Medikament helfen könnte, sollten es ohne Probleme bekommen. Das wünsche ich mir.“

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