Pflügende Frauen und magere Kühe

EISENSCHMITT. (ger) So ganz nebenbei gibt Clara Viebig in ihrem Roman "Das Weiberdorf" Einblicke in den Alltag Eisenschmitts, in den Tagesablauf in Salmtal um das Jahr 1900 und in die Lebensweise der Bevölkerung in einer seinerzeit tatsächlich kargen und rückständigen Eifellandschaft mit von Armut und Ungerechtigkeit gebeutelten Einwohnern.

An vielen Stellen im Roman finden sich kurze Hinweise, meist als Übergänge zwischen den Handlungen gedacht. Auch wenn die Einblicke Clara Viebigs in das bäuerliche Leben hin und wieder etwas verzerrt sind (so verlegt sie beispielsweise das Pflügen der Felder in die trockene Sommerzeit statt in den feuchteren Herbst), seien einige herausgegriffen und in freier Folge zu einem Alltagsbild zusammengestellt. "Es ist früh am Morgen, die Sonne noch nicht aufgegangen, nur über den Bergen im Osten rötet sich schwach eine Wolkenschicht. Grau liegt das Tal; von Frühnebel die Wiesen überwogt, wie von wallendem Wasser. Die Hähne schreien sich heiser, Hunde schlagen an. ... Weiber, notdürftig bekleidet mit Hemd und Unterrock, eilen hinaus in den grauen Morgen zum Brunnen. Feucht geht es nieder, als hätte es geregnet; die niedrigen Scheiben der Fenster sind dick angelaufen. Aus jedem Schornstein kräuselt schon der Rauch und steigt mühsam die schwere Luft zum farblosen Himmel. ...Die Sonne fiel schräg in's Tal und malte huschende, rasch verschwindende Goldkringel an die weißgetünchten Hauswände. ... Still war die Luft, sehr heiß, zwischen den Bergwänden hatte sie sich gefangen und kochte und brütete da, wie in einem Kessel. Kein Windchen rührte sich, die Bäume regten kein Laub, lautlos schlängelte die Salm ihr sehr schmal gewordenes Silberband gen Himmerod hin. ... Im Sonnenbrand lag ... das Dorf, ohne Leben, wie versunken in einen Märchenschlaf, seine kleinen weißen Häuser, blendend im flimmrigen Licht, duckten sich scheu im engen Tälchen. ... In der heißen Mittagsluft summten honigbeladene Bienen, ein starker, fast strenger Geruch stieg von den Wiesen um die Salm auf; sie standen hoch im Gras, längst tat ihnen das Mähen not. Auf den Äckerchen an den Hängen schimmerten weiße Kopftücher, wie hellere Flecken auf blassgelblichem Grund - da schafften jetzt die Weiber. Aber keine Sense blitzte und legte in langen Schwaden das Korn nieder: die Weiber rutschten auf den Knieen und schnitten den Roggen mit der Sichel, wie man Gras schneidet. Sie arbeiteten hart, der Schweiß rann in Strömen; das Hemd klebte, nass zum Auswinden, am Leib, die braunen Beine, von den Stoppeln zerplatzt und zerstochen, steckten nackt unter'm kurzen Rock. ... Ein paar halbwüchsige Jungen hetzten mit 'Hot und Hahrüh' eine magere Kuh, die mühsam den Pflug durch die Stoppel schleifte. Glühend heiß der Sonnenprall an die steilen Wände; mager, mager die Erdkrume, darunter harter Fels. Erbärmlich das Getreide; in winzigen Mandeln stand es da, dünn das Stroh, gering in der Ähre. ... Nebenan in der Stoppel pflügte die Tina Pätsch. Sie hatte ihre beiden jüngeren Geschwister, den dreizehnjährigen Karl und die vierzehnjährige Bill in den Pflug gespannt; nur wenige im Dorf konnten sich den leisten, die meisten arbeiteten den Acker mit der Hacke um. .. Als das (Mittags-) Glöcklein läutete, bekreuzigte sie sich; die Sichel entfiel ihr. ... Ein Gewitter war am Nachmittag aufgezogen, rasch kam es, ungeahnt, ohne vorherige Anzeichen; schwarz war der Himmel, schwer wie Blei. Er drohte mit Hagel. Angstvoll schauten die Frauen aus. ..Da - krach - der erste Donner! Furchtbar rollt er im engen Tal; wie ein böses Tier im Käfig, das keinen Ausweg findet, so grollt er zwischen den Bergwänden. ... So rasch wie es gekommen, so rasch ließ das Unwetter wieder nach, es zog über die Berge ab in einem Hui. Vor der Kirchtür gackerten schon wieder die Hühner und scharrten nach Würmern. Spatzen schirpten vergnügt und lupften in das nasse Gefieder. Die Jauche floss, durch den Regen von den Misthaufen weggespült, quer über die Gasse. ... Ein Mondstrahl stahl sich durch das verhängte Fensterchen und malte helle, runde Lichtflecke auf die Tür zur Nebenkammer. Peter schlüpfte im Hemd, auf bloßen Füßen an's Fenster und zog den Lumpen fester vor." Soweit ein Tag im "Weiberdorf", zusammengestellt aus Clara Viebigs Roman. Derzeit arbeiten die Eisenschmitter am Bau ihres Clara-Viebig-Zentrums. Der TV berichtet auf der lokalen Kulturseite von dem viel zitierten Roman "Das Weiberdorf” und zeigt Hintergründe zu der Schriftstellerin und dem Dorf an der Salm auf.

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