Medizin Ärzte für das Land gewinnen

Thalfang · Hochkarätige Diskussion in Thalfang: Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler und der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Dr. Peter Heinz diskutieren über die ärztliche Versorgung auf dem Land.

 Yvonne Robert, Barbara Icking-Zock und Sandra Adam (von links) arbeiten seit diesem Jahr als Ärztinnen in Thalfang.

Yvonne Robert, Barbara Icking-Zock und Sandra Adam (von links) arbeiten seit diesem Jahr als Ärztinnen in Thalfang.

Foto: TV/Hans-Peter Linz

Die Einwohner von Thalfang können sich glücklich schätzen, denn ihre ärztliche Versorgung ist gesichert: Die jungen Ärztinnen Dr. Sandra Adam und Dr. Barbara Icking-Zock haben  mit der von ihnen angestellten Ärztin Yvonne Robert erst vor kurzem die Hausarztpraxis von Dr. Michael Worm übernommen, der in den Ruhestand gegangen ist. Das war für die Berufseinsteigerinnen kein leichter Weg, wie sie auf einer Podiumsdiskussion am Mittwochabend in Thalfang erläutern. Und das  ist auch immer noch ein Einzelfall, wie im Laufe des Abends deutlich wird. Die Thalfanger Landtagsabgeordnete Bettina Brück hatte unter dem Titel „Neue Ärzte braucht das Land“ neben den drei Ärztinnen auch die rheinlandpfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, den Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung in Rheinland-Pfalz, Dr. Peter Heinz und den Ortsbürgermeister Thalfangs, Burkhard Graul zur Podiumsdiskussion geladen. Das Interesse ist groß: Rund 80  Bürger finden den Weg ins Haus der Begegnung.

Großes Thema im Landtag „Die ärztliche Versorgung ist im Landtag ein großes Thema,“ eröffnet Brück die Diskussion und weist auf die schwierige Situation des Nach­wuchses hin.  Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler nennt dann auch konkrete Zahlen: „Wir sind in Rheinland-Pfalz  im ärztlichen Bereich noch gut  versorgt. 20 von 51 hausärztlichen Planungsregionen sind noch überversorgt. Aber wir stehen vor großen Herausforderungen. Das Durchschnittsalter der Ärzte ist hoch: 30 Prozent sind über 60 Jahre. Von den Medizinstudenten entscheiden sich nur noch 11 Prozent für die Allgemeinmedizin. Das ist sehr wenig. 70 Prozent der Medizin-Studenten sind Frauen und haben damit oft eine andere Erwartung an Beruf und Familie.“

Maßnahmenbündel der Regierung Um der drohenden Ärztenot besonders auf dem Land zu begegnen, habe die Landesregierung ein Maßnahmenbündel geschaffen und verfolge seit 2007 einen Masterplan, der immer wieder fortgeschrieben werde. Die Schaffung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin an der Uni Mainz, finanzielle Anreize für die Niederlassung im ländlichen Bereich mit bis zu 15 000 Euro, Förderung der Kassenärztlichen Vereinigung von bis zu 60 000 Euro seien Bestandteile dieses Bündels.

Beruf attraktiver machen Es gehe aber auch darum, den Beruf des Landarztes attraktiver zu machen und Vorurteile abzubauen. Bätzing-Lichtenthäler: „Manche kennen den Landarzt nur aus dem ZDF und haben Vorurteile. Es geht nicht nur um Husten, Schnupfen, Heiserkeit an sieben Tagen in der Woche, denn es wird im Team gearbeitet und es gibt einen zentralen Bereitschaftsdienst. Davon müssen die Studierenden sich ein Bild machen können.“ Auch eine Landarztquote sei in der Diskussion, nach der sich die Studierenden verpflichten, für eine gewisse Zeit auf dem Land zu praktizieren.

Buntere Landschaft Von dem klassischen Bild des Landarztes müsse man sich frei machen.  Kooperative Praxisformen wie etwa Gemeinschaftspraxen, Ärztegenossenschaften, Medizinische Versorgungszentren seien Modelle der Zukunft. „Es wird nicht nur niedergelassene Ärzte geben, auch hier wird die Landschaft bunt werden,“ sagt die Ministerin. Zudem zähle eine Arztpraxis neben der Kita und der Schule zu den „knallharten Standortfaktoren“ für eine Kommune.

Von der Schwemme zum Budget Dr. Peter Heinz von der Kassenärztlichen Vereinigung in Mainz erklärt die Situation aus Sicht der KV: „Wir haben den Sicherstellungsauftrag als ,schwarzer Peter’. 1,8 Milliarden Euro pro Jahr werden von den Kassen als Budget an Ärzte und Therapeuten in Rheinland-Pfalz verteilt. Das Geld reicht aber nicht aus, etwa zehn Prozent der Rechnungen bleiben offen.“ Warum es zu dem Budget gekommen ist, erklärt er  mit einer Ärzteschwemme in den 1980er/1990er Jahren, die regulative Maßnahmen erforderte.

Inzwischen würden die Kassen aber auf rund 20 Milliarden Euro sitzen, weshalb man diese „Handbremse“ lockern müsse - denn die Budgetierung stamme aus dem Jahr 1993. Heinz: „Wir haben uns kaputt gespart.“ Heinz warnt, denn in den nächsten Jahren wird es bei 60 Prozent der Ärzte ein Nachbesetzungsproblem geben. Eine Landarztquote lehnt Heinz indes ab: „Die jungen Ärzte sollen bei einer Quote nicht ihre Seelen verkaufen.“

Die Praxisgründung In einer Rekordzeit haben Dr. Sandra Adam und Dr. Barbara Icking-Zock eine Landarztpraxis in Thalfang übernommen. Die 36-jährige und zweifache Mutter Sandra Adam stammt aus Thalfang und wollte wieder zurück in die Heimat. Da bot sich die Hausarztpraxis von Michael Worm an, der in den Ruhestand ging. Innerhalb von wenigen Monaten  gelang es Adam und ihrer Kollegin, die Praxis weiterzuführen. „Es war schwierig, eine Praxis zu gründen, es gab viel Bürokratie,“ sagt Sandra Adam. Sie habe zuerst Arzthelferin gelernt und dann auf dem zweiten Bildungsweg Medizin studiert. „Ich bin vom Land und wollte auch wieder dorthin zurück“, erklärt die Tochter des Thalfanger Ortsbürgermeisters Burkhard Graul.  Sie hätten eine regelrechte Patientenschwemme erlebt und deshalb noch eine weitere Ärztin angestellt.

Das letzte Glied der Kette „Wir Kommunen sind immer Ansprechpartner aber sind auch das letzte Glied in der Kette. Wir können aber  kein Träger für eine Arztpraxis sein,“ sagt Graul. Man könne natürlich mit Immobilien und Bürokratie helfen. Aber es gebe eben nur den Schlüssel über eine oder eine halbe Arztstelle, keine Zwischenstufen. Diese Bedarfsplanung müsse abgeschafft werden. Graul: „Wenn der Hausarzt nicht mehr in der Kommune ist, dann ist sie tot.“

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