Polen stellen Mehrheit der Migranten im Kreis Bernkastel-Wittlich

Bernkastel-Wittlich · Sie kommen nach Deutschland, um nach Arbeit zu suchen, bei ihrer Familie zu leben, zu heiraten oder um vor Krieg und Verfolgung in ihrer Heimat zu fliehen. 2011 lebten 5823 Migranten im Kreis Bernkastel-Wittlich, 328 mehr als im Vorjahr.

Bernkastel-Wittlich. Als Siddik Simsek 1990 sein Häuschen in Wittlich kaufte, war das auch ein symbolischer Akt. Damit zeigte er: Hier fühle ich mich wohl, hier will ich bleiben. 1975 kam er als einer von 200 türkischen Lehrern nach Deutschland, um Kinder in ihrer Muttersprache zu unterrichten. 1980 zog er nach Wittlich. Und blieb. Heute ist er Rentner, Vorsitzender des Beirats für Migration und Integration der Stadt Wittlich und gibt ehrenamtlich Deutschunterricht.
Seit 2003 ist er deutscher Staatsangehöriger und zählt nicht mehr zu den 5,2 Prozent der Bernkastel-Wittlicher, die keinen deutschen Pass haben. Insgesamt lebten im vorigen Jahr 5823 Migranten aus 117 Staaten im Landkreis. Die Zahl ist stetig gestiegen. 2009 nahm sie um 155, 2010 um 75 und 2011 um 328 zu. Darin nicht enthalten sind die 115 Menschen, die im vorigen Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben. Auch Touristen, Saisonarbeiter oder Mitglieder ausländischer Streitkräfte und deren Angehörige zählen nicht dazu.
Immer größer wird der Anteil der Polen unter den ausländischen Mitbürgern. Derzeit sind es 15 Prozent. Das hängt nach Erfahrungen der Kreisverwaltung vor allem mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit zusammen. Das heißt: Staatsangehörige aus den EU-Mitgliedstaaten können ihren Arbeitsplatz innerhalb der EU frei wählen.
Bis zum 30. April 2011 benötigten Menschen aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakischen Republik, Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn noch eine Arbeitserlaubnis, um in Deutschland einem Job nachzugehen. Seit dem 1. Mai 2011 gilt auch für diese Länder die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Vor allem in der Pflege findet man viele polnische Migranten.
Die zweitgrößte Gruppe stellen im Kreis die türkischstämmigen Bürger mit zwölf Prozent. Deren Anteil nimmt langsam, aber stetig ab: 2009 waren es noch 13,38 Prozent. Hauptgrund sind die Einbürgerungen, dank derer sie dann auch schwarz auf weiß Deutsche sind.
Jeweils sechs Prozent der Migranten sind Kosovaren und Niederländer, fünf Prozent Ungarn. Die weiteren Zahlen verteilen sich auf weitere europäische Länder, Russland, die USA, Thailand, Vietnam, Iran, Kasachstan und mehr.
Aktuell kommen derzeit sehr viele Ungarn in die Region, berichtet Nelli Wolf aus Wittlich. Sie organisiert Sprachkurse und leitet den multikulturellen Kultur- und Sportverein Integra. Vor 14 Jahren ist sie von Kasachstan nach Deutschland gekommen und hält es vor allem für problematisch, dass Abschlüsse, die im Ausland erworben wurden, hier häufig nicht anerkannt werden. Das berge für viele höher Qualifizierte Probleme.
Ein Akzent oder andersartiges Aussehen könne zwar noch immer Vorbehalte wecken, doch vieles habe sich gebessert: "Die Leute sind offener geworden", sagt sie, und es gebe mehr Ansprechpartner und Sprachkurse als früher. Mehr und mehr würden in ihrem Bekanntenkreis auch multikulturelle Ehen geschlossen.
"Die Integration ist leichter geworden", sagt auch Simsek. Vor allem sei es für die Migranten wichtig, Deutsch zu lernen - das sei der Schlüssel zur Integration. Auch bei der Suche nach einer Arbeitsstelle oder einer Wohnung hilft er gern - vor allem Letzteres sei in Wittlich schwierig.
Und fühlt er sich als Deutscher oder als Türke? Simsek grinst und erklärt: "Wenn ich in der Türkei bin, fühle ich mich gut. Wenn ich in Deutschland bin, noch besser." uq

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