Protest gegen Neubau am Stadtrand: Am Fallerberg soll ein Zwölffamilienhaus entstehen - Nachbarschaft ist in Sorge

Wittlich · Am Ende des Fallerwegs am Stadtrand von Wittlich gibt es drei Hingucker: Links der riesige Gefängnisbau, geradeaus die Fallerkapelle und rechts ein Wiesenstück vorm Waldrand. Letzte Bebauung: mehrere Reihenhäuser. Bis jetzt. Denn davor, zum Wald hin, soll ein moderner Neubau entstehen. Es gibt Kritik.

Wittlich. "Hier gehört einfach kein Haus mehr hin!" Bernard Schleich ist 84 Jahre alt. Er hat einen Schrebergarten und wohnt, nur durch eine Hecke und Wiese vom Garten entfernt in dem Riegel aus Reihenhäusern am Fallerberg. Genau davor, auf die Wiese, soll gebaut werden.
"Ich werde mit einem Anwalt Widerspruch einlegen", sagt zu diesen Plänen Gisela Johann.

Sie ist Eigentümerin eines der Häuser im Bereich am Fallerberg/Gänsberg. Neben ihr stehen Winfried und sein Vater Bernard Schleich, Herbert und Birgit Geiter, Hans-Dieter Trapp, Viktor Valentin. Sie drehen dem Gefängnis, das hier den Stadtrand markiert, den Rücken zu, stellen sich in den Schatten einer riesigen Birke, die neben einem schmalen Weg wächst. Dahinter liegen ihre Häuser am Fallerberg. Die Frauen und Männer leben zusammen weit mehr als hundert Jahre hier. Hier ist ihre Heimat.

Die Hängebirke, angeblich die einzige in dieser Größe, hat "der Herr Senko damals aus Böhmen mitgebracht", davor ist das "Behelfsheim", eine Unterkunft für Obdachlose und Flüchtlinge längst verschwunden. Und dort, wo seit rund 25 Jahren Gras wächst, soll ein Gebäude vor ihrer Nase, vor dem Wäldchen wachsen. Und zwar ein Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohnungen, Parkgarage, Spielplatz, Stellplätzen. Die Immobilie will die Wittlicher Baugenossenschaft auf ihrem 1850 Quadratmeter großen Grundstück bauen. Der Vorstand der Baugenossenschaft, Hubert Weinand, erklärt: "Das Vorhaben Am Fallerberg 6 wurde von Anfang an unter Beteiligung der Stadt- und Kreisverwaltung geplant." Das Grundstück hatte die WBW Wohnbau Wittlich, eine 100-prozentige Tochter der Baugenossenschaft, 1994 von der Stadt gekauft und jetzt das "Vorratsgrundstück" der Baugenossenschaft übertragen. Ansonsten seien Grundstücke für Mehrfamilienhausbebauung in Wittlich "äußerst knapp und wenn dann teuer". Mit dem Projekt wolle man den Mitgliedern ein bezahlbares Angebot machen, die eine komfortable Wohnung mieten wollten: mit Fahrstuhl und Barrierefreiheit.

Komfortabler wird es für die Nachbarn im Fallerweg aber nicht, fürchten diese. "Ab 14 Uhr kann man dann hier das Licht anmachen", sagt Heribert Geiter: "Und wenn die eine Tiefgarage bauen, hier ist Grundwasser, dann trocknen unsere Gärten aus." Hans-Dieter Trapp sagt: "Wenn sie die Reihe verlängern würden, hätten wir nichts dagegen. Aber in dieser Höhe und Art bauen. Das geht doch gar nicht hier. Haben wir nicht andere Neubaugebiete wie in St. Paul oder an der Bernhardskirche?"

Mehr Lärm durch den Autoverkehr, noch mehr Krach, weil der aus dem gegenüberliegenden Gefängnis durch einen Neubau verstärkt würde, Wertverlust der eigenen Immobilie: All das sind Befürchtungen, auch ein Ende der kleinen Idylle. "Wo findet, man denn sonst noch Fledermäuse, oder Rehe und Füchse, die bis an die Haustüre kommen?", fragt einer in der Runde. Alle nicken. Bernard Schleich sagt: "Dass da keiner von denen mal hingeht und sich mal hier mit den Leuten unterhält!" Man fühle sich "überfahren", habe den Eindruck, das Projekt "sollte unterm Deckel gehalten werden".

Hubert Weinand, Baugenossenschaft, stellt klar: "Wir halten es für unüblich, Nachbarn über geplante Bauvorhaben zu informieren, zumal wir alle Grenzabstände einhalten und keine formale Beteiligung der Nachbarn erforderlich ist." Man habe in der Mitgliederzeitung und auf der Homepage über das Bauvorhaben informiert. Auch erinnert er daran, dass es die WBW war, die 1994 das städtische Obdachlosenheim abgerissen habe, nachdem sie das Gelände gekauft habe. Von einer Bebauung eines sogenannten Außenbereichs könne also keine Rede sein.

Auf die Frage nach der Entfernung des Neubaus zu den Reihenhäusern heißt es, das Treppenhaus halte fünf Meter Abstand, der dahinter liegende Gebäuderiegel acht Meter Abstand bis zur Grenze, wobei die Häuser Fallerberg 1 bis 4 faktisch über keine eigenen Abstandsflächen verfügten, weil der Weg direkt vor den Hauswänden öffentlich sei.
"Wir wollen einfach nicht diesen riesigen, modernen Zwölffamilienklotz vor der Nase. Es ist die Frage, ob die Belange der jetzigen Bewohner ausreichend berücksichtigt worden sind", sagt Gisela Johann. Genau das hat sie schon in der vergangenen Stadtratssitzung in der Einwohnerfragestunde vorgebracht. Bürgermeister Joachim Rodenkirch erwiderte: "Man kann da natürlich unterschiedlicher Meinung sein. Wir haben das nur nach rechtlichen Kriterien zu beurteilen. Für die Optik haben wir keine Handhabe. Es gilt das Baurecht, und da müssen wir uns dran halten." Er erwarte eine Baugenehmigung durch die Kreisverwaltung in Kürze, dann könnte man die Unterlagen alle einsehen und Widerspruch einlegen. Laut Planung der Baugenossenschaft soll der Neubau "im Laufe des Jahres 2017" fertig werden.

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