Provokante Thesen für lebendige Ortskerne

NIERSBACH. Wie bekomme ich junge Leute in den alten Dorfkern? In dem ich den Abriss von alten Häusern sowie den anschließenden Neubau fördere, meint Bürgermeister Franz-Josef Krumeich.

Es klingt provokant. Seit 20 Jahren wird im Rahmen der Dorferneuerung die Erhaltung der ortstypischen Gebäude gefördert. Und nun kommt ein Bürgermeister daher und meint, man müsse die Zielsetzung des Programms überdenken. Franz-Josef Krumeich aus Niersbach ist der Meinung, dass es in Anbetracht verwaisender Ortskerne nicht immer nur um die Erhaltung des Alten gehen könne. "Man muss auch mal bereit sein, den Abriss nicht erhaltenswerter Gebäude sowie den anschließenden Bau neuer Häuser zu fördern. Nur so kann man junge Menschen dafür gewinnen, im Ortskern zu wohnen und den Ortskern lebendig erhalten", sagt Krumeich. Der Mann weiß, wovon er redet. Nicht nur, dass er als Dorfchef die Probleme kleiner Orte kennt, als Bauingenieur ist er auch vom Fach. Und so sorgt er sich um die Zukunft von Niersbach und von den anderen kleinen Orten. Dabei geht es Niersbach vergleichsweise gut. Der Ort ist lebendig: Es gibt einen Kindergarten und die 700 Einwohner können Brot, Fleisch und Getränke vor Ort kaufen. Es gibt Kneipen, eine Bankfiliale, mehrere Betriebe und ein Neubaugebiet, das bereits zu zwei Dritteln ausgebucht ist. Zudem hat die Gemeinde Geld in der Kasse. Nicht nur Sparsamkeit und viel Eigenleistung der Bürger machen dies möglich. Der Ort hat mit dem Erlös von 550 000 Euro aus dem Verkauf von Kiesabbaurechten eine Stiftung gegründet. Mit ihrer Hilfe werden Projekte für Jugendliche und Umwelt sowie außerdem Kunst, Kultur, Sport und Dorferneuerung gefördert. Und dennoch sieht Krumeich dunkle Wolken am Horizont heraufziehen. Schon jetzt stehen einige Häuser im Ortskern leer, und vermutlich werden es immer mehr, denn viele der Bewohner sind älter als 60 Jahre. Von 50 Häusern in der Niersbacher Hauptstraße seien allein 20 Gebäude ausschließlich von Menschen über 60 Jahren bewohnt, so Krumeich. Er ist sich sicher, dass junge Menschen, insbesondere Familien in diese alten Häuser ohne Terrasse nicht einziehen wollen. Es drohen tote Ortskerne. Krumeichs Vorschlag: Werden vier alte Gebäude abgerissen, können zwei neue Bauplätze entstehen. Mit Hilfe von Förderung kann eine dorfverträgliche Architektur erzielt werden. Der Dorferneuerneuerungsbeauftragte der Kreisverwaltung, Hermann Brück, hält Krumeichs Gedanken im Prinzip für richtig. Dennoch ist er an die Richtlinien der Dorferneuerung gebunden, die bislang nur Umnutzungen mit Entkernungen zulassen, die einem Neubau höchstens nahe kommen. Er schlägt vor: "Die Gemeinde kann die alten Gebäude kaufen und abreißen und das Land als Bauland verkaufen. Sind die Gebäude desolat, dürften sie nicht viel kosten." Da theoretisch Infrastruktur für neue Bauplätze eingespart werde, könne es volkswirtschaftlich zu einem Mehrwert kommen. Zudem verweist Brück auf ein Förder-Programm der Einheitsgemeinde Morbach vom Ende der 80er Jahre. Den Abbruch nicht mehr erhaltenswerter Gebäude mit anschließendem Neubau eines Wohngebäudes in dörflicher Architektur fördert Morbach mit zehn Prozent, höchstens jedoch 2600 Euro. Die Förderung werde jedoch nur selten in Anspruch genommen, heißt es in Morbach. Infos: www.bernkastel-wittlich.de/dorfereneuerung.

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